Die aus Myanmar kommenden Rohingya-Mädchen in Bangladesch können dort nicht zur Schule. Save the Children ermöglicht ihnen die Schulbildung, indem Mädchen gleichaltrige Mädchen unterrichten – ein Erfahrungsbericht von Andreas Brüchle.


Ein Mitarbeiter von Save the Children vor Ort im Gespräch mit den Mädchen während des Unterrichts

Andreas Brüchle, Mitarbeiter von Save the Children Schweiz, hat im Juni Projekte von Save the Children in Bangladesch besucht. An der Grenze zu Myanmar befindet sich eines der grössten Flüchtlingslager der Welt, das Kutupalong Camp in der Region Cox’s Bazar. In diesem Lager befinden sich rund eine Million Rohingyas – das entspricht der Einwohnerzahl des gesamten Kantons Bern – über die Hälfte davon sind Kinder.

Zwar gibt es Lernangebote im Flüchtlingslager von diversen humanitären Organisationen, jedoch reichen diese bei Weitem nicht aus für alle Kinder, die sich dort aufhalten. In der Regel bleibt vor allem Mädchen aufgrund diverser sozialer Gründe der Zugang zu Bildung am häufigsten verwehrt. Damit sie dennoch lernen können, hat Save the Children Bildungsprojekte für Mädchen entwickelt: Mädchen unterrichten gleichaltrige Mädchen im Flüchtlingslager – und diese machen unglaubliche Fortschritte. Die sogenannten Instruktorinnen profitieren ebenfalls von der Erfahrung, da sie beschäftigt sind, gefördert werden und es ihnen Hoffnung gibt für die Zukunft. Das Interview mit Andreas Brüchle.

Im Juni bist du nach Bangladesch gereist, um Projekte von Save the Children zu besuchen. Wie muss ich mir ein solches Projekt vorstellen?

Bei dem Projekt im Kutupalong Camp handelt es sich um ein „Peer Learning Programme“ – es ist ein innovativer Ansatz, um Mädchen auch unter schwierigen Rahmenbedingungen elementare Schulbildung zu ermöglichen. Kinder, die im Flüchtlingslager zur Schule gehen können, unterrichten nach einem individuellen Training und unter Anleitung von Save the Children gleichaltrige Kinder, die keine Möglichkeit für einen regulären Schulbesuch haben.

Es hat mich enorm beeindruckt, mit welchem Enthusiasmus die Mädchen die gleichaltrigen Mädchen unterstützen – es ist herzerwärmend zu sehen, wie sich die Rohingya-Kinder selbst eine aussichtsreiche Zukunft ermöglichen.

Andreas Brüchle

Dafür hat Save the Children spezielles Unterrichtsmaterial entwickelt, das den Schülerinnen kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Während des sechsmonatigen Programms lernen die Kinder das Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Grundkenntnisse in Englisch und Burmesisch.

Es freut mich enorm zu sehen, dass seit Einführung des Projekts im Juli 2019, auf diese Weise bereits 1050 Mädchen das sechsmonatige Programm absolvieren konnten. Der Unterricht findet nach einem detaillierten Stundenplan in Dreier- oder Vierer-Gruppen statt im Zuhause der Mädchen in dafür vorgesehenen Räumen. Da dort ein chronischer Platzmangel herrscht, ist es entscheidend, solche Räume zu finden und für den Unterricht zu halten.

Was hat dich am meisten beeindruckt während dieser Reise?

Es war überaus beeindruckend zu sehen, welche schulischen Fortschritte die Kinder in den wenigen Monaten gemacht haben und mit welchem Enthusiasmus sie dem Unterricht folgen. Zu Beginn des Programms sind in der Regel keinerlei schulischen Kenntnisse vorhanden, nach sechs Monaten erreichen sie ein Niveau, das anderswo erst nach zwei Schuljahren erreicht wird.

Gleichermassen beeindruckend finde ich, mit welcher Ernsthaftigkeit – ja fast schon Professionalität – die Mädchen, die sogenannten Instruktorinnen, den Unterricht gestalten, obwohl sie selbst im gleichen Alter sind wie die Schülerinnen.

Icon Girl

Bereits 1050 Mädchen konnten seit Einführung des Projekts im Juli 2019 das sechsmonatige Programm absolvieren.

Welches Erlebnis bleibt dir auch in Zukunft in Erinnerung – positiv oder negativ?

Grundsätzlich positiv war die Begegnungen mit den Menschen vor Ort, wie zum Beispiel die Mitarbeitenden von Save the Children in Bangladesch, die sich für die Projekte einsetzen und entsprechend der Planung umsetzen. Oder unsere kompetenten lokalen Kooperationspartner, ohne die wir das Projekt nicht so schnell hätten realisieren können.

Und nicht zuletzt die Instruktorinnen in den Programmen und deren Schülerinnen: Trotz der eigentlich verzweifelten Lage mit wenig Zukunftsaussichten im Flüchtlingscamp geben sie sich nicht auf, sondern versuchen mit viel persönlichem Einsatz und Optimismus eine Basis für ihre Zukunft zu schaffen.

Negativ bleibt mir das allgegenwärtige Müllproblem in Erinnerung, das mir schlimmer erscheint als in den anderen Ländern, die ich bisher bereist habe. Es ist nicht nur ein ästhetisches und gesundheitliches Problem, sondern der Müll verstopft auch die offenen Abwasserkanäle, die dann in der Regenzeit das Wasser nicht mehr ableiten. So werden ganze Viertel überschwemmt. Das Problem ist den meisten Einwohner:innen, mit denen wir sprechen konnten, bewusst, aber eine Lösung zeichnet sich nicht ab.

Was wünschst du dir für die Rohingya-Geflüchteten, wenn du einen Wunsch frei hättest?

Es wäre wünschenswert, wenn sich endlich eine dauerhafte Perspektive für die Rohingyas ergäbe. Ich wünsche ihnen und ihren Familien, dass sie wieder Stabilität und Sicherheit finden mit einem permanenten Zuhause, sich so auch mental vom Erlebten erholen und sich eine bessere Zukunft für die Kinder aufbauen können.

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