Knapp 200 Millionen Kinder leben in den tödlichsten Kriegsgebieten der Welt – die höchste Zahl seit mehr als einem Jahrzehnt. Viele von ihnen sind bereits von den Folgen der Klimakrise und Hunger betroffen. Zusätzlich sind weltweit mehr als 330 Millionen Kinder von der Rekrutierung für bewaffnete Gruppen und Regierungskräfte bedroht – dreimal mehr als 1990.

Die 11-jährige Tagreed im Jemen wurde bei einem Raketenangriff im Juli 2019 verletzt. Als Folge ihrer Verletzungen musste eines ihrer Beine amputiert werden.

Der sechste Bericht von Save the Children, der die Entwicklungen der Situation von Kindern in bewaffneten Konflikten untersucht, zeigt, dass die Zahl der Kinder, die in 13 Ländern in tödlichen Konflikten leben, im Jahr 2020 um fast 20 % von 162 Millionen im Vorjahr angestiegen ist. Dies ist die zweithöchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde – gleich nach 208 Millionen im Jahr 2008. Der starke Anstieg im Jahr 2020 zeigt, dass eine globale Pandemie und der Aufruf der Vereinten Nationen zu einem weltweiten Waffenstillstand nicht ausreichen, um diese Kriege zu beenden.

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Eine globale Pandemie und der Aufruf der UNO zu einem Waffenstillstand reichen nicht, um diese Kriege weltweit zu beenden.

Dieser Anstieg ist zum Teil auf Gewaltausbrüche in Mosambik sowie auf anhaltende Konflikte in Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria und Jemen zurückzuführen, die bereits an vorderster Front von den schlimmsten Auswirkungen Klimakrise betroffen sind und mit lebensbedrohlichen Hungerkrisen zu kämpfen haben.

Rekrutierung durch bewaffnete Truppen

Der Bericht (in Englisch) zeigt zudem auf, dass 337 Millionen Kinder in der Nähe von bewaffneten Gruppen und Regierungskräften leben, die Kinder rekrutieren. Dies entspricht einer Verdreifachung im Vergleich zu vor drei Jahrzehnten (99 Millionen im Jahr 1990). Die Zahl der Länder, in denen Kinder rekrutiert werden – und in denen mehr als die Hälfte der Kinder der Welt (fast 1,3 Milliarden) leben – ist ebenfalls auf 39 gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit 30 Jahren.

Der neuen Analyse zufolge verzeichnen Afghanistan, Syrien, Jemen, die Philippinen und Irak der höchste prozentuale Anteil der Kinder, die in der Nähe bewaffneter Truppen leben, die Kinder rekrutiert. In diesen Ländern sind Kinder folglich einem besonders grossen Risiko ausgesetzt, von bewaffneten Truppen rekrutiert zu werden.

Armut und kein Zugang zu Schulbildung – Faktoren, die sich mit der Pandemie noch verschlimmert haben – gehören zu den Gründen, warum Kinder anfälliger für die Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen und Streitkräfte sind. Im Falle einer Rekrutierung können ihre Aufgaben vom Kampf an der Front bis zur Besetzung von Kontrollpunkten reichen. Viele werden auch auf der Suche nach einem Gefühl der Zugehörigkeit, Schutz vor Missbrauch, Status oder Rache zu solchen Gruppen hingezogen.

Millionen von Kindern kennen nichts Anderes als Krieg, mit entsetzlichen Folgen für ihre psychische Gesundheit, ihre Schulbildung und ihren Zugang zu lebensrettenden Diensten. Dies kann nicht so weitergehen.

Inger Ashing CEO von Save the Children International

Obwohl Mädchen nur 15 % der von den Vereinten Nationen gemeldeten Rekrutierungsfälle im Jahr 2020 ausmachten, werden sie häufig als Spione, zum Auslegen von Minen und improvisierten Sprengkörpern oder Selbstmordattentäter eingesetzt, da sie weniger auffallen. Ihre Verletzlichkeit, ihr niedriger Status und ihr Geschlecht machen sie ausserdem anfällig für weit verbreiteten Missbrauch.

Kinder, die von bewaffneten Gruppen und Streitkräften eingesetzt werden, sind einem grösseren Risiko von Verletzungen, Behinderungen, chronischen psychischen oder körperlichen Erkrankungen, sexueller Gewalt und Tod ausgesetzt.

Inger Ashing, CEO von Save the Children International, sagte: “Es ist einfach entsetzlich, dass im Schatten von COVID-19 und dem Aufruf der UNO zu einem weltweiten Waffenstillstand mehr Kinder als je zuvor im Fadenkreuz bewaffneter Konflikte und der tödlichsten Kriegshandlungen stehen – wo sie zusätzlich bereits mit mehr Dürren, Überschwemmungen und Hunger konfrontiert sind. Nicht einmal eine weltweite Pandemie konnte die brutalsten Kriege und Gräueltaten stoppen.“

Wir wissen, dass wir die grössten Herausforderungen unserer Zeit angehen und bemerkenswerte Fortschritte erzielen können, wenn wir zusammenarbeiten. Dies hat die jüngsten Entwicklung der COVID-Impfstoffe gezeigt. Jetzt müssen wir dasselbe tun, um Kinder vor den Schrecken von bewaffneten Konflikten zu schützen.

Inger Ashing, CEO von Save the Children International

Bericht: Stop the war on children - a crisis of recruitment (auf Englisch) pdf - 4,64 MB