Nina Hössli ist Leiterin Nationale Programme bei Save the Children Schweiz und spricht im Interview über ihr neustes Projekt und den damit verbundenen Eröffnungstag der modularen Lernwelt im Asylzentrum Biberhof.
Frau Hössli, Sie waren am 7.12. an der Eröffnung der modularen Lernwelten im Asylzentrum Biberhof. Worum handelt es sich dabei?
Die modularen Lernwelten, wie sie das Architektur-Kompetenzzentrum Typologie & Planung (CCTP) der Hochschule Luzern nennt, sind ein Spiel- und Lernangebot für Kinder, das in einem Container auf dem Vorplatz des Asylzentrums Biberhof installiert ist und an ebendiesem Tag der offenen Türe eröffnet wurden.
Wie war der Tag?
Um 10 Uhr war die offizielle Eröffnung, da kamen die ersten Besucherinnen und Besucher – es waren vor allem Interessierte und Leute aus den benachbarten Gemeinden und verschiedenen Behörden. Es war gut zu sehen, dass dieses Projekt auch von der Politik unterstützt wird, schliesslich wurde es ja vom kantonalen Amt für Migration initiiert. Das war auch schön für die Bewohnerinnen und Bewohner, dass so viele Menschen kamen und sie diese willkommen heissen durften. Viele Besucherinnen und Besucher waren auch einfach neugierig, da man ja selten so direkt Einblick in die Asylzentren erhält.
Die Caritas, die die Betreiberorganisation dieses Asylzentrums ist, war Gastgeberin des Tags der offenen Tür und hat am Morgen unter anderem ein Kinderprogramm durchgeführt. Wir haben sie dabei tatkräftig und mit viel Freude unterstützt. Sie werden nun ihr Frühforderungsprogramm für geflüchtete Kinder in den modularen Lernwelten umsetzen.
Später am Tag gab es auch Hausführungen und Reden von allen Organisationen und Behörden, die am Projekt beteiligt waren. Wir selber waren am Nachmittag in der modularen Lernwelt präsent und haben durch den Raum geführt, mit den Kindern gespielt und Fragen beantwortet.
Warum braucht es diese modularen Lernwelten?
Leider gibt es nicht in jedem Asylzentrum genug Platz für Spiel- und Lernräume, die kindergerecht sind. Das Kompetenzzentrum CCTP der Hochschule Luzern hatte daher die Idee, einen modularen Raum zu entwickeln, der unterschiedlich genutzt werden kann und das ist nun der Pilot.
Save the Children wurde auf Einladung des kantonalen Amtes für Migration und der HSLU hin Teil des Projektes, um eine pädagogische Begleitung des Projektes zu machen. Wir haben dafür breit einsetzbare, pädagogische Leitlinien entwickelt, die jetzt einen integralen Bestandteil dieser modularen Lernwelten bilden. Auch unser in der Arbeit in den Asylzentren entwickelte Spiel- und Lernwagen mit Aktivitätenanleitungen ist Teil der Installation. Wir haben also den Kinderrechtsansatz vertreten und das pädagogische Frühförderungskonzept zum Raum begleitet und entwickelt. Da die Lernwelten idealerweise nicht nur in diesem Asylzentrum, sondern auch in anderen Ländern aufgebaut werden können, haben wir uns auf die elementarsten Richtlinien, die dann kontextspezifisch gut adaptiert werden können, beschränkt.
Was heisst das genau? Können Sie das erläutern?
Diese Leitlinien basieren auf der Kinderrechtskonvention, beispielsweise ist das Recht auf Schutz sehr präsent. Deshalb sind Respekt und Wertschätzung ein wichtiger Pfeiler, wie auch, dass stets zwei Erwachsene anwesend sein müssen. Die Kinder haben auch das Recht auf Beteiligung und Partizipation, können also die Aktivitäten mitbestimmen und wissen um ihre Ansprechperson bei allfälligen Problemen. Zudem sind das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung und kultureller Teilhabe fundamental, also dass die Aktivitäten für alle Kinder geeignet sind, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, körperlicher oder geistiger Fähigkeiten oder anderer Merkmale.
Wie sieht dieser Container aus? Was macht ihn so speziell?
Diese modulare Lernwelt entspricht wirklich dem, was sich auch darin findet – alle Einheiten lassen sich unterschiedlich einsetzen. So hat es beispielsweise Hocker, die je nach Verwendung unterschiedliche Sitzhöhen haben und sich z.B. auch als Stehhilfe für die ganz Kleinen eignen.
Der gesamte Raum ist extrem vielfältig nutzbar und kann auch in den unterschiedlichsten Settings umgesetzt werden, so ist es für den Bau auch nicht nötig die komplexeste Schreinerei zu besitzen und der Raum ist mit unterschiedlichen Materialien umsetzbar.
Das Konzept scheint seinen Ansprüchen also gerecht zu werden?
Auf den ersten Blick sicher, ja. Wir müssen nun natürlich noch beobachten und abwarten, wie es sich in der Praxis beweisen wird, aber wir sind sehr zuversichtlich.
Braucht es diese modulare Lernwelt wirklich?
Nun, wir sehen in unserer Arbeit viele unterschiedliche Asylzentren und deren Angebot. Wir sehen kinderfreundliche Räume, die voll sind mit Spielsachen, aber nicht genutzt werden, aber auch Asylzentren, die gar keinen Raum haben. Selten gibt es ein regelmässiges, betreutes Programm für Kinder. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab wie z.B. den Ressourcen der Betreiberorganisation oder der Grösse des Gebäudes. Hier im Biberhof beispielsweise hatte es auch wenig Platz im Zentrum selber, aber man hatte diese Möglichkeit, im Umschwung etwas umzusetzen – perfekt für dieses Projekt und die Kinder!
Das Tolle an diesem Konzept ist die Modularität. Es lässt sich wortwörtlich an die Umgebung, die vorhandenen Räumlichkeiten anpassen und implementieren. Das ist umso wichtiger, da ein qualitativ hochstehendes Kinderprogramm sehr herausfordernd und in vielen Zentren keine Realität ist. In diesem Sinne ist das Projekt kein Luxus, sondern dringend benötigt für das Wohlergehen der Kinder. Es ist eine schöne Möglichkeit, den Kindern etwas zu bieten, das kindergerecht ist und für alle Bewohnerinnen und Bewohner einen Mehrwert und Möglichkeiten bietet. Denn der Raum kann einfach umgestellt werden, so dass auch Jugendliche und Erwachsene ihn nutzen können.
Was sind die nächsten Schritte?
Nun, da der Raum eröffnet ist, werden wir den Raum und die Aktivitäten in den nächsten Monaten begleiten und evaluieren – wie wird er genutzt, was wird genutzt und inwiefern ergänzt sich das Verhalten in der Praxis zum pädagogischen Konzept? Wir werden dann allenfalls das Konzept überarbeiten und der Hochschule Luzern auch ein Feedback geben zur Räumlichkeit aus einer kinderrechtlichen Perspektive. Danach – so hoffen wir – kann dieses Konzept dann für andere Settings angepasst werden, um noch mehr Kindern einen Raum für Schutz, Spiel und Bildung zu bieten.
Über die modularen Lernwelten
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