Beim Expert*innen-Gespräch des Zürich Film Festivals zum Kinderfilm "Binti - Es gibt mich!" über ein Sans-Papiers-Mädchen in Belgien, stand unsere Fachperson Kindesinteresse, Serafina Schelker, den gespannten und interessierten Kindern und Erwachsenen Red und Antwort.
Hallo Zusammen!
Ich bin Serafina und war vor einigen Wochen als Expertin bei der Vorstellung des Kinderfilms „Binti – Es gibt mich!“ eingeladen. Da Save the Children Partnerorganisation der Kinderreihe des Zurich Film Festival war, konnte ich meine Erfahrung aus meiner Arbeit mit den Kindern und Erwachsenen teilen und ihre Fragen beantworten. Diese waren teilweise sehr anspruchsvoll und es beeindruckt mich immer wieder, wie Kinder mit solch komplexen Themen wie Migration umgehen und das Bedürfnis haben, darüber zu diskutieren. Nachfolgend teile ich gerne einige Fragen der Kinder, die sie nach dem Film beschäftigt haben. Meine Antworten habe ich so kindgerecht wie möglich formuliert, um die komplexen Themen in einfachen Worten verständlich machen zu können.
Wieso haben Kinder wie Binti Angst vor der Polizei? Müssen auch Kinder in der Schweiz Angst vor der Polizei haben?
Das Mädchen im Film, Binti, lebt zusammen mit ihrem Vater als sogenannte „sans-papiers“, also papierlose, in Belgien. Vielleicht erkläre ich kurz, was das bedeutet und warum sie deshalb vor der Polizei weglaufen im Film.
Jedes Land hat eigene Regeln, wer in einem Land leben darf und wer nicht. Wenn man diese Regeln erfüllt, bekommt man ein Papier. Ihr habt alle so ein Papier. Es heisst ID, Identitätskarte. Oder Pass.
Mit dem Papier gehört man zu einem Land. Man ist Bürgerin oder Bürger. Es gibt auch Papiere, dauf denen steht, dass man hier arbeiten und leben darf, aber noch nicht ganz Bürgerin ist. Das heisst dann: Aufenthaltsbewilligung.
Und jetzt ist es so: die Polizei ist in jedem Land dafür zuständig, dass die Regeln eingehalten werden. Wenn man zum Beispiel kein Billette im Zug hat, dann bekommt man eine Busse. Weil es ist die Regel, dass man ein Billette haben muss.
Und wenn jetzt Kinder wie Binti keine Papier haben, keine Aufenthaltsbewilligung, dann verstossen sie eben gegen eine Regel. Und wer kein Papier hat, der muss wieder aus dem Land gehen. Und wenn jetzt die Polizei Binti und den Papa fragt, ob sie die Aufenhaltspapiere sehen können und sie keine haben, dann muss die Polizei sie eben mitnehmen aufs Revier und feststellen, ob sie wirklich keine ID oder keine Papiere haben. Das ist auch in der Schweiz so.
Und deshalb haben Kinder wie Binti Angst vor der Polizei. Sie sagt ja im Film ganz deutlich, dass sie nicht in den Kongo will, dass sie da nicht mal die Sprache spricht, dass sie in Belgien bleiben möchte. Und das gilt auch für die Sans-Papiers-Kinder hier in der Schweiz. Sie möchten hier bleiben.
Wieso gibt es Kinder, die ganz allein flüchten müssen?
Es gibt viele verschiedene Einflüsse, die dazu führen, dass Kinder alleine in die Schweiz flüchten müssen. Zum einen haben sie oft einen sehr weiten Weg vor sich, bis sie beispielsweise von Syrien nach Europa kommen. Auf diesem Weg gibt es verschiedenste Möglichkeiten, sich zu verlieren. Sie können auf ihrem Fluchtweg hierher von ihrer Familie oder ihren Begleitern getrennt werden und müssen den restlichen Fluchtweg alleine bis nach Europa gehen. Eine andere Situation wäre, dass eine Familie in einem Land lebt, wo es keine Perspektiven für Kinder gibt, wobei sie keinen Zugang zu Bildung, Essen oder Gesundheitseinrichtungen haben. Somit sammelt die ganze Familie Geld zusammen, um das Kind auf die lange Reise (Flucht) schicken zu können, damit die Kinder hier in Europa eine Perspektive haben- die Kinder sollen in die Schulen gehen können, eine Ausbildung machen können. Meine Antwort kann man sich im folgenden Video anhören:
Wie alt war das jüngste unbegleitete Kind, das im vergangenen Jahr in die Schweiz geflüchtet ist?
Das jüngste unbegleitete Kind im vergangen Jahr war zwei Jahre alt. Das ist sehr jung. Die meisten unbegleiteten geflüchteten Kinder sind Jugendliche im Alter zwischen 13 und 16 Jahren. Der Weg bis hier in die Schweiz ist sehr gefährlich, egal ob Land- oder Meer-Route. Daher kommen vor allem schon ältere Kinder und Jugendliche in der Schweiz an. Aber es gibt auch sehr junge unbegleitete alleinreisende Kinder, manchmal dann auch in Begleitung von Geschwistern.
Warum arbeitest du bei Save the Children?
Ich bin Sozialarbeiterin und habe Soziale Arbeit studiert. Sehr lange habe ich mit Familien und Kindern zusammen gearbeitet, die Schwierigkeiten im Leben hatten oder denen es nicht gut ging. Ich bin wie der Elias aus dem Film „Binti – es gibt mich!“, denn Elias Herz schlägt für Okapis: er ist davon überzeugt, dass man diese schützen soll. Für mich ist es genau das Gleiche mit Kindern, denn Kinder sind sehr spannende Individuen, sie stellen interessante Fragen, haben tolle Ideen und spannende Meinungen und wollen einfach Kind sein – jedoch sind sie in einer schwächeren Position als wir Erwachsene und darum muss man Kinder schützen. Man muss dafür sorgen, dass es den Kindern gut geht und wir eine Welt haben, in der Kinder leben können. Ich teile die Vision von Save the Children dass jedes Kind in die Schule gehen kann, geschützt ist, mit Freunden spielen kann, genug zu Essen hat und zum Arzt kann, wenn es krank ist – zusammen mit vielen ArbeitskollegInnen auf der ganzen Welt arbeiten wir zusammen für diese Vision. Ich fühle mich dann auch nicht mehr so alleine, weil ich weiss, dass es noch viele andere Menschen auf der Welt gibt, die sich für Kinder einsetzen. Denn Kinder sind das Wichtigste, ihr seid unsere Zukunft und darum versuchen wir euch eine gute Grundlage zu bieten.
Im folgenden Video könnt ihr die gesamte Antwort nachhören: