Heute ist Welttag gegen Kinderarbeit. Obwohl in den letzten Jahren Fortschritte in der Bekämpfung von Kinderarbeit erreicht werden konnten, sind arbeitende Kinder in globalen Lieferketten immer noch omnipräsent. Gleichzeitig steigen die gesetzlichen und gesellschaftlichen Anforderungen an Unternehmen in Bezug auf den Schutz von Kinderrechten.

Im Interview beantwortet unsere Expertin Sandra Groth die wichtigsten Fragen zum Thema Kinderarbeit, ihren Ursachen und wie Save the Children gemeinsam mit Unternehmen Kinderrechte in Lieferketten schützt.

Sandra Groth, Verantwortliche für nachhaltige Lieferketten bei Save the Children Schweiz, auf Projektbesuch in Uganda.

Wie verbreitet ist Kinderarbeit heute noch?

Schätzungen zufolge sind heute immer noch rund 160 Millionen Mädchen und Jungen von Kinderarbeit betroffen – das ist fast eines von zehn Kindern weltweit. Während seit den frühen 2000er Jahren grosse Fortschritte in der Bekämpfung von Kinderarbeit erzielt worden sind, steigen die Zahlen seit 2016 leider wieder an. Die Covid-19 Pandemie, damit verbundene Schulschliessungen sowie der grundsätzliche Anstieg der globalen Armut haben die Situation für Kinder weltweit weiter verschlimmert.

Was versteht man unter Kinderarbeit?

Unter Kinderarbeit versteht man die Beschäftigung von Kindern in Arbeit, die ihre Kindheit, ihr Potenzial und ihre Würde beeinträchtigt und die für ihre körperliche und geistige Entwicklung schädlich ist. Es handelt sich dabei um Tätigkeiten, die Kindern die Möglichkeit nehmen, zur Schule zu gehen oder die sie dazu zwingen, Schule und Arbeit zu kombinieren. Dabei ist die Arbeit oft so belastend, dass sie ihnen keine Zeit für Erholung und Spielen lässt.

Wo kommt Kinderarbeit am häufigsten vor?

Rund 70 Prozent der weltweiten Kinderarbeit findet in der Landwirtschaft statt. Danach folgt der Dienstleistungssektor mit 20 Prozent und die Industrie inklusive Bergbau mit 10 Prozent. Geografisch arbeiten Kinder am häufigsten im Globalen Süden. Also dort, wo die Armut am grössten ist. Kinder arbeiten beispielsweise auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste oder in Kobaltminen in der Demokratischen Republik Kongo unter schlimmsten Bedingungen und ohne jegliche Perspektive. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass Bemühungen von internationalen Unternehmen zur Bekämpfung von Kinderarbeit leider oftmals nicht effektiv sind. Teilweise führen sie sogar dazu, dass arbeitende Kinder in den informellen Sektor verdrängt werden, wo die gesundheitlichen Risiken noch grösser sind.

Rund 70 Prozent der weltweiten Kinderarbeit findet in der Landwirtschaft statt.

Sandra Groth Sustainable Supply Chain Manager

Warum gibt es Kinderarbeit?

Die Ursachen für Kinderarbeit sind vielschichtig und oft miteinander verknüpft. Einer der treibenden Faktoren ist die Armut. Oftmals verdienen die Eltern nicht genug, um den Lebensunterhalt der Familie zu finanzieren, weshalb sie auf die Kinder als Arbeitskräfte angewiesen sind. Weiter führt der mangelnde Zugang zu Bildung dazu, dass Eltern vielfach keine andere Perspektive für ihre Kinder sehen und die Arbeit die einzige Alternative bleibt. Daneben sind es Krisen wie die Pandemie, Naturkatastrophen oder bewaffnete Konflikte, die die Lebensumstände für Familien weiter verschlechtern und die Situation für betroffene Kinder noch schwieriger machen.

Wie kann Kinderarbeit gestoppt werden?

Diese Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten. Wie erwähnt sind die Ursachen für Kinderarbeit vielschichtig und komplex, weshalb die Bekämpfung eine ganzheitliche Herangehensweise erfordert. So muss einerseits bei den Grundursachen angesetzt werden, während Kinder in den schlimmsten Formen der Kinderarbeit sofort geschützt werden müssen. Für solche Lösungen braucht es die Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen, Regierungen sowie privaten Unternehmen. Nur gemeinsam können wir Kinderarbeit effektiv und nachhaltig bekämpfen.

Die meisten Fälle von Kinderarbeit finden «unter der Oberfläche» statt, also in den vorgelagerten, unteren Ebenen der Lieferketten und im informellen Sektor der Wirtschaft.

Wie bekämpft Save the Children Kinderarbeit?

Als Kinderrechtsorganisation setzen wir uns in rund 115 Ländern für die Bekämpfung von Armut, den Zugang zu Bildung sowie den Schutz von Kindern ein. Durch unsere Expertise vor Ort setzen wir Projekte um, die bei den Grundursachen für Kinderarbeit ansetzen und nachhaltige Veränderungen für betroffene Kinder bewirken. Gemeinsam mit unserem Tochterunternehmen The Centre for Child Rights and Business bieten wir Unternehmen zudem individuelle Unterstützung für ihre Lieferketten an: Wir helfen bei der Identifizierung von Kinderrechtsrisiken, der Etablierung von klaren Richtlinien und Prozessen zur Prävention sowie mit der direkten Abhilfe bei konkreten Fällen von Kinderarbeit. Gleichzeitig sind wir in verschiedenen Initiativen wie zum Beispiel der Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao oder der Swiss Sustainable Coffee Platform aktiv, um unsere Expertise einzubringen.

Was können Unternehmen tun, um Kinderarbeit zu verhindern?

In einem ersten Schritt müssen Unternehmen Transparenz schaffen, um die eigene Lieferkette und die verschiedenen Einflüsse auf Kinder und ihre Rechte besser zu verstehen. Darauf aufbauend brauchen sie ein umfassendes System, um Kinderrechtsrisiken effektiv zu identifizieren, Verletzungen zu verhindern und bei Bedarf Abhilfe zu leisten. Unternehmen sollten ausserdem einen kritischen Blick auf die eigenen Geschäftspraktiken werfen und hinterfragen, inwieweit diese das Risiko von Kinderarbeit verstärken können. Die Unterstützung der umliegenden Gemeinden über die eigene Lieferkette hinaus, trägt zudem zu nachhaltigen und langfristigen Verbesserungen bei.

Wie kann ich mich persönlich gegen Kinderarbeit engagieren?

Sich selbst und andere über die Problematik der Kinderarbeit zu informieren, ist ein wichtiger erster Schritt zur Veränderung. Beim Konsum kann darauf geachtet werden, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Transparenz in ihrer Lieferkette gewährleisten und sich aktiv gegen Kinderarbeit engagieren. Informationen dazu finden sich beispielsweise auf Unternehmens-Webseiten und in Nachhaltigkeitsberichten. Weiter kann die Arbeit von Organisationen wie Save the Children durch Spenden unterstützt werden, damit wir uns weiterhin für die Rechte von Kindern in globalen Lieferketten einsetzen können.

Mehr zu unserer Arbeit

 

Sandra Groth | Sustainable Supply Chain Manager

Sandra Groth

hat über 15 Jahre Erfahrung im Bereich «Corporate Responsibility» mit Schwerpunkt Sicherstellung von Umwelt- und Sozialstandards in globalen Lieferketten. Seit 2022 ist sie bei Save the Children Schweiz für das Thema «Kinderrechte & Wirtschaft» verantwortlich und Ansprechpartnerin für Unternehmen, die gesetzeskonform agieren und ihren Einfluss auf Kinder und ihre Rechte positiv gestalten wollen.

 044 267 74 70
 sandra.groth@savethechildren.ch