Zwei Jahre nach der Taliban-Machübernahme in Afghanistan müssen viele Kinder arbeiten, um bei der Ernährung ihrer Familien mit zu helfen. Das zeigt eine Analyse von Save the Children. Wir fordern dringend mehr finanzielle Hilfen in dieser Notlage.

Nadira, 8 Monate, wird in einer mobilen Gesundheitsklinik von Save the Children in Jawzjan im Norden Afghanistans auf Unterernährung untersucht. © Shekiba Mohammadi / Save the Children

HUNGERKRISE NACH REKORD-DÜRRE

Es ist eine tödliche Mischung: Armut, Klimakrise und Hunger – damit sehen sich viele Kinder in Afghanistan konfrontiert. Unsere neue Analyse von Haushalten in sechs Provinzen zeigt ihre Realität in dem Land unter Herrschaft der Taliban. Save the Children befragte dafür zwischen dem 8. Juli und dem 2. August 2023 1’207 Erwachsene und 1’205 Kinder in den Provinzen Balkh, Faryab, Jawzjan, Kabul, Nangarhar und Sar-e-Pul.

Demnach wurden mehr als ein Drittel der befragten Kinder zur Arbeit veranlasst, um ihren Familien zu helfen, mit der steigenden Armut und dem Hunger fertig zu werden. Drei Viertel der befragten Kinder gaben an, dass sie weniger zu essen haben als noch vor einem Jahr. Einer der Hauptgründe: die schlimmste Dürre des Landes seit 30 Jahren hat zu Ernteausfällen und zum Tod von Nutztieren geführt. Nahrung und Wasser sind für Kinder und ihre Familien immer unzugänglicher geworden. Von der Dürre sind 58 Prozent der von Save the Children befragten Haushalte betroffen.

Icon Gruppen

58 Prozent Der von Save the Children befragten Haushalte sind von der Dürre betroffen.

BESONDERS FRAUEN UND MÄDCHEN BETROFFEN

So geht es auch Sajida und ihrer Familie in Jawzjan im Norden von Afghanistan. Dürre und Wirtschaftskrise haben sie hart getroffen. Sajida wünscht sich, sie könnte ihre Kinder mit Kartoffeln, Obst und Fleisch versorgen, aber sie können sich nur Reis leisten.

Sie sind noch sehr jung und wissen nicht, was es heisst, arm zu sein und kein Geld für Kartoffeln zu haben. Ich fühle mich schlecht, wenn ich den Zustand meiner Kinder sehe. Ich kann ihnen kein gutes Leben bieten, nicht einmal eine Portion gutes Essen.

Sajida 31 Jahre, lebt mit ihrer Familie im Norden Afghanistans

Bei zwei ihrer Kinder, den acht Monate alten Zwillingen Nahida und Nadira, wurde eine schwere akute Unterernährung diagnostiziert, die in einer mobilen Gesundheitsklinik von Save the Children behandelt wird.

Frauen und Mädchen sind am stärksten von der Hungerkrise in Afghanistan betroffen, denn mehr als doppelt so viele Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand wie Haushalte mit männlichem Haushaltsvorstand leiden unter schwerem Hunger, und 17 Prozent mehr Mädchen als Jungen haben weniger zu essen als im letzten Jahr.

Icon Girl

17 Prozent mehr Mädchen als Jungen haben weniger zu Essen als im letzten Jahr.

JEDES ZEHNTE KIND MUSS ARBEITEN

All dies hat zu Kinderarbeit geführt. Neue Daten der Internationalen Arbeitsorganisation haben sogar ergeben, dass eines von zehn Kindern in ganz Afghanistan Kinderarbeit verrichtet.

Wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft ihren isolationistischen Ansatz überdenkt und an die Millionen unschuldiger Kinder denkt, deren Leben in Gefahr sind. Die Kinder dürfen nicht für Dinge bestraft werden, für die sie nichts können.

Arshad Malik Landesdirektor von Save the Children in Afghanistan

DRINGEND MEHR FINANZIELLE HILFE NÖTIG

Save the Children ruft die internationale Gemeinschaft auf, dringend humanitäre Hilfe zu leisten und langfristige Entwicklungshilfe sicherzustellen, um den wachsenden Bedürfnissen der Menschen in Afghanistan gerecht zu werden. Wir appellieren auch an die Regierungen der Geberländer, die laufenden und bestehenden Mittel für die humanitäre Arbeit in Afghanistan nicht einzufrieren oder auszusetzen, da dies verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf Frauen und Mädchen, haben würde. Die Kinderrechte, insbesondere das Recht der Mädchen auf Bildung, müssen von allen Beteiligten vorrangig behandelt werden.