Die weit verbreiteten Überschwemmungen der letzten Monate in Kombination mit schwerwiegenden Konflikten sowie den steigenden Lebensmittelpreisen haben den Südsudan in die schlimmste Hungerkrise seit der Unabhängigkeit im Jahr 2011 getrieben. Täglich sind immer mehr Kinder durch Unterernährung, Krankheiten und Schlangenbisse gefährdet.

Ein kleiner Junge steht vor einem überfluteten Haus im Bundesstaat Warrap, Südsudan

In der Stadt Tonj im Bundesstaat Warrap, etwa 550 km nördlich der Hauptstadt Juba, erklärten Händler auf einem lokalen Markt, dass sich die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis und Zucker seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt hätten.

Alek (28) aus einem Dorf in der Nähe von Tonj sagt, ihre Familie habe täglich darum gekämpft, genug zu essen zu finden, nachdem die Überschwemmungen ihre Ernte zerstört hatten. Sie hatte Glück, dass sie ihre jüngste Schwangerschaft heil überstand und im April Zwillingsmädchen zur Welt bringen durfte. Sie erklärt, dass die Behandlung in einem von Save the Children betriebenen örtlichen Gesundheitszentrum ihre Töchter Mary und Achon wahrscheinlich gerettet hat.

„Meine Schwägerin hilft mir mit den Zwillingen und mein Mann versucht jeden Tag Wildfrüchte und andere Lebensmittel für uns zu finden. Wir haben Mühe, genug zu essen zu bekommen, und ich weiss nicht, wie sich die Situation verbessern soll, denn die Überschwemmungen gehen nicht weg.“, beschreibt Alek die Situation.

Die Überschwemmungen haben seit Juli Hunderte von Menschen in den Dörfern um Tonj aus ihren Häusern vertrieben. Viele von ihnen leben in Notunterkünften, da ihre Häuser unter Wasser stehen oder eingestürzt sind. Ihre Ernten wurden zerstört, und sie bewachen ihr Vieh rund um die Uhr, da sie sich vor Überfällen fürchten.

Wir haben Mühe, genug zu essen zu bekommen, und ich weiss nicht, wie sich die Situation verbessern soll, denn die Überschwemmungen gehen nicht weg.

Alek Südsudanesische Mutter von Zwillingen

Da es nur sehr wenige asphaltierte Strassen gibt, sind andere ländliche Gemeinden von der Aussenwelt abgeschnitten und nicht in der Lage, Lebensmittel oder andere Hilfsgüter zu erhalten – die Strassen unpassierbar und die Landebahnen überflutet.

Anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober, der unter dem Motto „Lasst niemanden zurück“ steht, appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, den Südsudan nicht zu vergessen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen benötigen 8,9 Millionen Menschen, d.h. 71 % der Bevölkerung, humanitäre Hilfe. Darunter sind 1,4 Millionen Kinder unter fünf Jahren, die an Unterernährung leiden.

Die erste Generation südsudanesischer Kinder wächst jetzt auf. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, indem wir akzeptieren, dass der Südsudan zu einer vergessenen Krise wird.

Jib Rabiltossaporn Landesdirektor von Save the Children Südsudan

Weiter mahnt Jib Rabiltossaporn: „Als es 2017 Warnungen vor einer Hungersnot gab und in Teilen des Landes eine Hungersnot ausgerufen wurde, hat die internationale Gemeinschaft gehandelt, um eine Katastrophe grossen Ausmasses zu verhindern. Das müssen wir wieder tun, und zwar jetzt.“

Die Situation hat sich in den letzten Monaten weiter verschlechtert. Mehr als 615’000 Menschen sind von den Überschwemmungen betroffen, die im vierten Jahr verheerende Folgen mit sich bringt: Häuser und Ernten sind zerstört. Das führt zu einem Anstieg von Malaria und Schlangenbissen, insbesondere bei Frauen und Kindern.

Icon Geldsack

Finanzielle Mittel dringend benötigt Bislang wurden nur etwa 45 % eines internationalen humanitären Spendenaufrufs der UNO in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollars für den Südsudan aufgebracht, wo mehr als 4 Millionen Menschen auf der Flucht sind, darunter etwa 2,2 Millionen Geflüchtete aus den Nachbarländern.

Aufgrund des anhaltenden Konflikts, der das jüngste Land der Welt seit 2013 plagt,  kommen Tausende von Vertriebenen hinzu. Auch die Umsetzung des Friedensabkommens von 2018 schreitet nur langsam voran. Der Südsudan ist eines der Länder, die von der schlimmsten globalen Hungerkrise dieses Jahrhunderts betroffen sind. Sie wird durch die tödliche Mischung aus Konflikten, Klimawandel, wirtschaftlichen Schocks und Armut verschärft. Die Währung ist in diesem Jahr um fast 40 % gefallen und die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschnellt, was durch höhere Importpreise im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine noch verschärft wurde. In fünf Ländern sind eine Million Menschen von einer Hungersnot bedroht, und Schätzungen zufolge stirbt alle vier Sekunden ein Mensch an den Folgen des Hungers.

Save the Children vor Ort

Save the Children arbeitet im Südsudan seit der Unabhängigkeit im Jahr 2011. Im Jahr 2021 erreichte Save the Children mit seinen verschiedenen Programmen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Bildung, Hygiene und Kinderschutz 2,2 Millionen Menschen im Südsudan, darunter 1,5 Millionen Kinder.