Von Konflikten betroffene Mädchen werden mit 20 % höherer Wahrscheinlichkeit verheiratet als Mädchen, die in friedlichen Gebieten leben. Dies geht aus einer neuen Analyse hervor, die anlässlich des 10. Jahrestag des Internationalen Tag des Mädchens veröffentlicht wurde.

Mädchen in Ostasien und den Pazifikstaaten, Lateinamerika und der Karibik sowie in Südasien sind am stärksten von konfliktbedingter Kinderheirat bedroht. West- und Zentralafrika – eine Region, die von Konflikten, Klimakatastrophen und folglich von Armut sowie Nahrungsmittelknappheit betroffen ist – hat die höchste Kinderheiratsrate der Welt.

„Konflikte haben verheerende Auswirkungen auf Familien. Sie sind gezwungen, aus ihren Häusern, Schulen und Arbeitsplätzen zu fliehen und in provisorische Lager umzuziehen. Es ist oft eng, gibt nur wenige Dienstleistungen und kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Hinzukommt, dass so gut wie kein Schutz vor Gewalt vorhanden ist. Während Kinder die Hauptlast eines jeden Krieges tragen, wissen wir, dass Mädchen aufgrund ihres Geschlechts zur Zielscheibe brutaler Gewalttaten werden – in jedem Konflikt“, erzählt Inger Ashing, CEO Save the Children.

Icon Familie

Mädchen weltweit betroffen Die Studie zeigt, dass fast 90 Millionen Mädchen weltweit – oder eines von fünf – in einem Konfliktgebiet leben, was verheerende Auswirkungen auf ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihre Zukunftschancen hat.

Während Kinder die Hauptlast eines jeden Krieges tragen, wissen wir, dass Mädchen aufgrund ihres Geschlechts zur Zielscheibe brutaler Gewalttaten werden.

Inger Ashing CEO Save the Children

Neuer Report: Mädchen an vorderster Front

Während sich die Bemühungen zur Bekämpfung der Kinderheirat oft auf deren Verhinderung konzentrieren, wird den Bedürfnissen und Erfahrungen verheirateter Mädchen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im jährlichen „Global Girlhood Report: Girls on the frontline“ (Mädchen an vorderster Front) kommen verheiratete, verwitwete und geschiedene Mädchen zu Wort. Darunter auch Mädchen, die durch Konflikte in der irakischen Region Kurdistan (KRI) und im Südsudan vertrieben wurden:

  • Zwischen 2020 und 2021 wurden über 600 Interviews mit 139 Mädchen in beiden Ländern geführt, um ihre Erfahrungen zu verstehen – einschliesslich ihrer Gründe für die Heirat, ihrer Erfahrungen mit der Schwangerschaft und nach der Heirat.
  • Die Mädchen schilderten, dass sie in unterschiedlichem Masse Einfluss auf die Heirat hatten – einige wurden entführt und zur Heirat gezwungen, andere gaben dem Druck der Familie nach oder heirateten nach einer ungeplanten Schwangerschaft.
  • Mädchen berichteten, dass sie heirateten, um in Zeiten extremer wirtschaftlicher Not den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern. Einige Mädchen in der KRI erzählten, dass Gefühle der Isolation und eine düstere Zukunft ihre Entscheidung zur Heirat beeinflusst haben.
  • Alle Mädchen beschrieben, dass sie durch Gewalt und patriarchalische Regeln eingeschränkt werden. Dies sind unter anderem Werte, die Männern und Jungen Macht über Frauen und Mädchen geben – das führt zu einer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.

Aktulle Krisen verschärfen die Situation

Der Bericht untersuchte auch die Fortschritte zur Beendigung der Kinderheirat, die seit Einführung des Internationalen Tag des Mädchens im Jahr 2012 erzielt wurden. Obwohl zwischen 2008 und 2018 weltweit schätzungsweise 25 Millionen Kinderehen verhindert wurden, ist die Welt weit davon entfernt, das globale Ziel zu erreichen, Kinderehen bis 2030 zu beenden. Die COVID-Krise und ihre anhaltenden Auswirkungen auf die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern werden bis 2030 voraussichtlich 10 Millionen weitere Mädchen in die Ehe treiben – der erste Anstieg der weltweiten Heiratsrate seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Da so viele Mädchen mit parallellaufenden Krisen konfrontiert sind, sollte dieser Jahrestag ein Weckruf an die Regierungen sein, den Mädchen Priorität einzuräumen.

Inger Ashing CEO Save the Children

Die Pandemie in Verbindung mit der sich verschärfenden Klimakrise, neuen und andauernden Konflikten und der schlimmsten globalen Nahrungsmittelkrise seit Jahrzehnten bedroht die Fortschritte bei der Bekämpfung und Abschaffung der Kinderheirat weiter. „Da so viele Mädchen mit parallellaufenden Krisen konfrontiert sind, sollte dieser Jahrestag ein Weckruf an die Regierungen sein, den Mädchen Priorität einzuräumen und dafür zu sorgen, dass sie vor Kinderheirat und all den verheerenden Auswirkungen, die sie auf ihr Leben hat, geschützt werden. Das fängt damit an, dass die Mädchen bei Entscheidungen, die sie betreffen, ein Mitspracherecht erhalten“, erklärt Inger Ashing weiter.