Die Zahl der Kinder in Somalia, die wegen der gefährlichsten Form der Unterernährung behandelt werden, ist in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 um 300% gestiegen. Denn die schlimmste Dürre seit Jahren zieht das Land immer stärker in Mitleidenschaft.

Im Südwesten Somalias, in Baidoa, betreibt Save the Children eine Gesundheitseinrichtung. Im Juni behandelten die Ärzte eine Rekordzahl von 471 Kindern, die an schwerer akuter Unterernährung und anderen medizinischen Komplikationen litten – viermal mehr Patient:innen als im Januar des laufenden Jahres.

Die Ärzt:innen sagten, dass sie aus erster Hand erlebten, wie der Klimawandel in eine katastrophale Hungerkrise übergeht. Dr. Farhiyo Mohamud Abdirahman behandelt seit mehr als zwei Jahren unterernährte Kinder im Stabilisierungszentrum von Save the Children in Baidoa und macht nun regelmässig Überstunden, um die steigende Zahl der Patient:innen zu bewältigen.

"Wir stehen vor vielen neuen Herausforderungen im Vergleich zu noch vor zwei oder drei Monaten. Wir haben nicht genügend Betten, es gibt nicht genügend Zimmer, und das Personal macht Überstunden. Wir stossen an unsere Grenzen."

Dr. Farhiyo Mohamud Abdirahman

Am Horn von Afrika sind vier Regenzeiten in Folge ausgefallen, und für dieses Jahr wird eine fünfte schlechte Regenzeit vorhergesagt. Die Krise wird durch steigende Lebensmittelpreise aufgrund des Krieges in der Ukraine und die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zusätzlich verschärft. Da kein Ende der verheerenden Dürre in Sicht ist, steht Somalia nun am Rande einer Hungersnot. Das lässt eine Wiederholung der Hungersnot von 2011 befürchten, bei der über 260’000 Menschen starben, etwa die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren.

Zahl der Behandlungen und Todesfälle steigt dramatisch

Im ersten Halbjahr 2022 haben Dr. Farhiyo Mohamud Abdirahman und ihr Team 1’435 Kinder wegen schwerer akuter Unterernährung behandelt, etwa 25 % mehr Patient:innenen als im gesamten Jahr 2021. Das Gesundheitszentrum musste vor kurzem zwei medizinische Zelte in seinem Hof aufstellen, um die steigende Nachfrage nach Behandlungen von Unterernährung zu bewältigen.

Angesichts der anhaltenden Dürre, die weite Teile des Landes verwüstet, steigt auch die Zahl der Kinder, die an Unterernährung sterben, sprunghaft an. Im Juni verzeichnete das Stabilisierungszentrum 18 Todesfälle, mehr als doppelt so viele wie im Mai und die höchste Zahl in den letzten 12 Monaten. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 starben in dem Zentrum fast 90 % mehr Kinder an Unterernährung als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

 

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Unterernährung in Somalia Mindestens 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind in ganz Somalia akut unterernährt, und mehr als 385'000 Kinder laufen Gefahr, ohne sofortige Hilfe zu sterben.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Unterernährte Kinder sind anfälliger für Infektionen und andere Krankheiten wie Masern, Lungenentzündung und Cholera, wodurch ihre Gesundheit noch stärker gefährdet ist.

Casho, 33, hat in diesem Jahr zwei ihrer Kinder durch Masern verloren, und ein Grossteil ihres Viehs ist aufgrund der Dürre gestorben. Sie erklärte, dass ihre Familie in der Hoffnung auf lebensrettende Hilfe beschloss, in ein Vertriebenenlager in Baidoa umzuziehen. Sie war mit ihren sieben Kindern zwei Tage lang zu Fuss unterwegs, um das Lager in Baidoa zu erreichen, und liess ihr Haus und ihre einst blühende Farm zurück.

„Die Dürre hat uns schwer getroffen, vor allem die Kinder, die an Krankheiten wie Masern litten. Früher haben wir Tiere gezüchtet und Getreide angebaut, aber unsere Tiere sind gestorben und die Ernte ist ausgefallen. Unsere Kinder sind krank. Auch wir sind krank. Wir leiden alle an Hunger, jung und alt“, sagte Casho.

Hunderttausende von Menschen wie Casho waren gezwungen, auf der Suche nach Nahrung, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung aus ihren Häusern zu fliehen. In den Vertriebenenlagern ist der Hunger jedoch immer noch alltäglich.

"Wir haben weder gestern noch vorgestern Abend etwas gegessen. Wir haben nichts. Das ist unsere Situation. Wir betteln auf dem Markt um etwas Mais oder Geld, und manchmal kommen wir mit nichts nach Hause und schlafen mit leerem Magen. Unsere Felder sind trocken und wir hungern."

Ali, 15 Jahre alt, seit Juni in Baidoa

Save the Children hilft den betroffenen Gemeinden in Somalia bei der Bewältigung der unmittelbaren humanitären Auswirkungen der Dürre. Die Hilfsorganisation sorgt für eine Notversorgung mit Wasser, behandelt unterernährte Kinder, unterstützt die Bildungssysteme, damit die Kinder während der Vertreibung durch die Dürre nicht den lebenswichtigen Unterricht verpassen, betreibt Gesundheitseinrichtungen und stellt Bargeld und Unterstützung für den Lebensunterhalt für die Bedürftigsten bereit.