Knapp zehn Tage nach der verheerenden Explosion von Beirut sind in der libanesischen Hauptstadt immer noch Kinder von ihren Eltern getrennt. Dies kann nachhaltige Folgen für die psychische Gesundheit der Kinder haben, warnt die Kinderrechtsorganisation Save the Children. Schon jetzt sind die Folgen sichtbar, wie eine Bestandsaufnahme von Save the Children ergab: Einige der Kinder, die nach der Explosion von ihren Eltern getrennt waren, sprechen oder schlafen nicht mehr. Andere bleiben auch nach der Zusammenführung mit ihren Eltern verängstigt. Sie fürchten eine erneute Trennung von ihren engsten Bezugspersonen oder wollen nicht in den Raum zurückkehren, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Explosion aufhielten.
Die Explosion hat Familien auseinandergerissen. Für die Kinder ist es lebenswichtig, dass sie so schnell wie möglich zu ihren Eltern zurückkehren. Sie sind durch das, was sie erlebt haben, stark verängstigt und brauchen jemanden, der ihnen nahesteht. Bei ihren Eltern haben die Kinder ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit – und von Heimat, auch wenn sie kein Zuhause mehr haben, in das sie zurückkehren können."
Save the Children unterstützt gemeinsam mit Partnerorganisationen Kinder, die von ihren Eltern getrennt sind. Die Teams vor Ort suchen alternative Betreuungsmöglichkeiten, idealerweise bei Verwandten, und helfen, die Mütter und Väter ausfindig zu machen. Um den Kindern bei der Bewältigung ihrer traumatischen Erlebnisse zu helfen, bieten Save the Children und die Partnerorganisationen psychologische Erste Hilfe an und beraten Eltern, wie sie mit ihren Kindern über das Erlebte sprechen können.
Die Erhebung von Save the Children ergab auch, dass viele Familien in schwer beschädigten Wohnungen untergebracht sind, weil sie nirgendwo anders hingehen können. Sie haben weder Strom noch die Möglichkeit zu kochen, so dass sie gezwungen sind, kalte Konserven zu essen, wenn sie sich das Essen überhaupt leisten können.
Es besteht auch ein dringender Bedarf an nahrhaften Lebensmitteln. Viele Familien, denen wir begegnet sind, kämpften schon vor der Explosion ums Überleben, aber jetzt ist die Situation noch schlimmer. Viele kleine Unternehmen sind betroffen, was bedeutet, dass sie ihre Existenzgrundlage verloren haben. Vielen Familien fehlt das Geld, um Lebensmittel oder Baumaterial für den Wiederaufbau ihrer Häuser zu kaufen.
Neben dem Fokus auf Familienzusammenführung und psychologischer Erster Hilfe weitete Save the Children die Nothilfemassnahmen für von der Explosion betroffene Familien in Beirut noch weiter aus. Die Kinderrechtsorganisation verteilt Grundnahrungsmittel und hilft bei der Instandsetzung von Wohnungen und der Beseitigung von Trümmern. Sie unterstützt auch Kinder beim Lernen sowie Reparaturen von Schulen. Um den betroffenen Familien bei der Sicherung ihres Lebensunterhalts zu helfen, gewährt Save the Children zudem Zuschüsse für Betriebe. Die Bedarfsanalyse von Save the Children basiert auf 35 Interviews mit betroffenen Familien und Vertretern von Gemeinschaften in 10 Stadtteilen von Beirut.
So geht es Kindern in Beirut
Das Beispiel der 4-jährigen Dalal zeigt das Schicksal unzähliger Kinder in Beirut auf
Dalal war nach der Explosion eine Woche lang von ihren Eltern getrennt und wurde von ihren Grosseltern betreut. Ihre Mutter war während der Explosion für eine Operation in einem Krankenhaus in der Nähe des Hafens von Beirut. Ihr Vater war bei der Arbeit und erlitt einen vorübergehenden Gedächtnisverlust. Save the Children unterstützte die Grosseltern bei der Betreuung des Mädchens. Nun ist Dalal wieder mit ihrer Mutter Hala zusammen.
Hala berichtet in eigenen Worten: „Als die Explosion geschah, war ich in der Notaufnahme des Krankenhauses. Ich flog in die Luft und das Fenster zerbrach. Mein Vater rief mich an und sagte, dass meine Tochter weinte und schrie und nach mir fragte. Mein Mann hatte einen vorübergehenden Gedächtnisverlust. Er musste ins Krankenhaus und ich blieb bei ihm. Ich war etwa eine Woche lang von meiner Tochter getrennt. Sie rief oft an und fragte mich: ‚Wann kommst du zurück? Werden wir jemals zurückkehren? Sie war noch nie zuvor von mir getrennt gewesen. Sie kämpfte mit dem Schlafen und fragte nach mir und ihrem Vater. Als wir endlich zusammen waren, weinte sie eine halbe Stunde lang ununterbrochen. Wenn ich jetzt aufstehe, um irgendwohin zu gehen, fragt sie mich, wohin ich will. Sie will mich überhaupt nicht mehr loslassen.“
Im Video erzählt Dalals Mutter ihre Geschichte und unser Save the Children Mitarbeiter Mohamad Neouchi erklärt, warum eine psychologische Betreuung der Kinder nach so einer traumatischen Erfahrung extrem wichtig ist: