Die Corona-Pandemie führt zu einem deutlichen Anstieg von Kinderehen und gefährdet die Fortschritte für die Gleichstellung von Mädchen. Einem neuen Bericht von Save the Children zufolge werden allein im Jahr 2020 eine halbe Million Mädchen mehr als im Jahr zuvor, zwangsverheiratet. Sogar eine Million Minderjährige sind in Gefahr zusätzlich schwanger zu werden und könnten dadurch ihr Leben verlieren - denn Geburten sind die häufigste Todesursache bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren.

Hibo ist 17 Jahre alt und kommt aus Somalia. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte sie nicht mehr zur Schule gehen. Ihre Eltern wollten sie mit einem älteren Mann verheiraten. Hibo besucht eine Kinderrechtsgruppe von Save the Children und konnte ihre Eltern mit Hilfe ihres Schulleiters von der Entscheidung abbringen.

Der Report „Global Girlhood 2020: COVID-19 and Progress in Peril“ lenkt zehn Tage vor dem Internationalen Mädchentag am 11. Oktober und 25 Jahre nach der wegweisenden Pekinger Weltfrauenkonferenz den Blick auf die Situation von Mädchen im Lichte der Pandemie.

In den kommenden fünf Jahren wird mit einem Anstieg von Kinderehen um bis zu 2,5 Millionen gerechnet, die Gesamtzahl dürfte bis 2025 auf 61 Millionen steigen. Als Folge sind drastisch steigende Zahlen für Teenager-Schwangerschaften und Schulabbrüche zu erwarten.

Damit werden die vergangenen 25 Jahre Fortschritt zunichte gemacht, in denen die Zahl der Kinderehen kontinuierlich sank.

Die Pandemie führt dazu, dass mehr Familien in die Armut gedrängt werden und viele Mädchen gezwungen sind, zu arbeiten, um ihre Familien zu ernähren, ohne Nahrung auszukommen, die wichtigsten Betreuer für kranke Familienmitglieder zu werden und die Schule abzubrechen - mit weit geringeren Chancen als Jungen, jemals wieder zurückzukehren.

Inger Ashing, CEO Save the Children International

Der Bericht zeigt außerdem

Icon Frau

Frühverheiratung Durch die Fortschritte der vergangenen 25 Jahre konnten vermutlich 78,6 Millionen Frühverheiratungen verhindert werden, allerdings stagnierte die positive Entwicklung bereits vor Corona. Besonders viele Frühverheiratungen gibt es in Südasien (191.000), gefolgt von West- und Zentralafrika (90.000) und Lateinamerika/Karibik (73.400). Auch in Ostasien und in der Pazifikregion (61.000), Europa und Zentralasien (37.200) sowie im Nahen Osten und Nordafrika (14.400) nimmt der kinderrechtswidrige Brauch wieder zu. Das Risiko von Frühschwangerschaften steigt 2020 am stärksten für Mädchen in Afrika und Lateinamerika und der Karibik (181.000).

Icon Kinderschutz

Humanitäre Krisen In humanitären Krisen wie Kriegen, Überschwemmungen, Dürren, Erdbeben und Krankheitsausbrüchen sind Mädchen am stärksten von Frühverheiratung bedroht.

Icon Bildung

Schulschliessung Die Pandemie-bedingten Schulschliessungen haben weltweit die Schullaufbahn von 1,6 Milliarden Kindern unterbrochen. Save the Children warnt vor einem Bildungsnotstand, denn 9,7 Millionen Kinder werden möglicherweise nicht zur Schule zurückkehren. Besonders betroffen vom Schulabbruch sind erfahrungsgemäss Mädchen.

Icon Gender

Geschlechtsspezifische Gewalt Überall auf der Welt sind die geschlechtsspezifische Gewalt sowie weibliche Genitalverstümmelung durch die COVID-19-Pandemie angestiegen.

Ein wachsendes Risiko von Gewalt und sexueller Ausbeutung in Verbindung mit wachsender Nahrungsmittel- und wirtschaftlicher Unsicherheit - insbesondere in humanitären Notsituationen - bedeutet auch, dass viele Eltern das Gefühl haben, sie hätten keine andere Wahl, als ihre Mädchen zu zwingen, Männer zu heiraten, die oft viel älter sind. Diese Ehen verletzen die Rechte der Mädchen und setzen sie einem erhöhten Risiko von Depressionen, lebenslanger Gewalt, Behinderungen und sogar dem Tod aus - auch bei der Geburt, da ihr Körper einfach nicht bereit ist, Kinder zu gebären.

Inger Ashing, CEO Save the Children International

Sunitas (16) Zeichnung, die zeigt, wie ihr neuer Ehemann sie von der Schule wegbringt

Sunita (16) zeichnete auch ihre Träume für die Zukunft.

Patience (16) zeichnete eine Episode aus ihrer Vergangenheit, als sie sagte, ihr damaliger Ehemann würde sie verprügeln.

Patience (16) zeichnete ihren Traum; in Zukunft Krankenschwester zu werden.

Tatu ist 17 Jahre alt, wurde vor drei Jahren verheiratet und ist heute Mutter von zwei Kindern. Die zweite Zeichnung zeigt ihre gegenwärtige Situation mit ihrer Familie. Hier ist die Arbeit, die sie zu tun hat, um Einkommen zu verdienen. Sie fällt einen Baum, um Holzkohle herzustellen. Und da ist das Mietshaus, in dem sie zurzeit wohnen, da sie kein eigenes Haus besitzen.

Diese Zeichnung zeigt Tatus Zukunftspläne. Sie plant einen eigenen Stall zu besitzen und mit der Milchkuhhaltung zu beginnen.

Hier erkläre ich (Subira, 16) meine derzeitige Situation. Das grosse Bild in der Mitte stellt mich dar. Das Bild in der Mitte oben rechts erklärt die aktuelle Situation zwischen mir und meinem Vater. Die Bilder zeigen, dass mein Vater unhöflich zu mir spricht und ich weine. Ich habe kein gutes Verhältnis mehr zu meinem Vater.

Sunita* ist 16 Jahre alt und lebt in Indien. Im Mai 2016, im Alter von 12 Jahren, wurde sie von ihren Eltern aufgrund der finanziellen Zwänge der Familie verheiratet. Zu dieser Zeit war Sunita* in der Schule eingeschrieben, aber nach ihrer Heirat war sie gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen.

AKTIONSPLATTFORM FÜR MEHR GLEICHSTELLUNG

Auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 verabschiedeten die UN-Mitgliedstaaten eine Aktionsplattform zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung von Frauen und Mädchen. Am 1. Oktober 2020 findet im Rahmen der UN-Vollversammlung in New York ein hochrangiges Treffen statt, um anlässlich des 25. Jahrestags der Konferenz die Geschlechtergerechtigkeit voranzutreiben.

Save the Children fordert die Regierungen auf:

  1. Mädchen mehr Gehör zu verschaffen, indem ihr Recht auf Teilhabe an allen öffentlichen Entscheidungsprozessen zu COVID-19-Massnahmen unterstützt wird.
  2. Unmittelbare und schleichende Risiken für geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, die durch die COVID-19-Pandemie wieder verstärkt wurden.
  3. Frühverheiratung zu beenden und bereits verheiratete Mädchen durch Gesetzesreformen in ihren Rechten zu stärken.
  4. Jetzt in Mädchen zu investieren, um die schlimmsten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für Mädchen abzumildern und langfristige Verbesserungen ihrer Situation zu bewirken.
  5. Jedes Mädchen wahrzunehmen, etwa durch verbesserte und differenziertere Datenerhebungen.

Jedes Jahr werden etwa 12 Millionen Mädchen verheiratet, zwei Millionen vor ihrem 15. Geburtstag. Allein in diesem Jahr sind eine halbe Million Mädchen zusätzlich davon bedroht - und das sind nur die Fälle, die uns bekannt sind. Wir gehen davon aus, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist.

Inger Ashing, CEO Save the Children International

Kompletter Bericht in Englisch: Global Girlhood report 2020: COVID-19 and Progress in Peril Die Corona-Pandemie führt zu einem deutlichen Anstieg von Kinderehen und gefährdet die Fortschritte für die Gleichstellung von Mädchen. Einem neuen Bericht von Save the Children zufolge werden allein im Jahr 2020 eine halbe Million Mädchen mehr zwangsverheiratet. pdf - 3,41 MB

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