Frühverheiratung Durch die Fortschritte der vergangenen 25 Jahre konnten vermutlich 78,6 Millionen Frühverheiratungen verhindert werden, allerdings stagnierte die positive Entwicklung bereits vor Corona. Besonders viele Frühverheiratungen gibt es in Südasien (191.000), gefolgt von West- und Zentralafrika (90.000) und Lateinamerika/Karibik (73.400). Auch in Ostasien und in der Pazifikregion (61.000), Europa und Zentralasien (37.200) sowie im Nahen Osten und Nordafrika (14.400) nimmt der kinderrechtswidrige Brauch wieder zu. Das Risiko von Frühschwangerschaften steigt 2020 am stärksten für Mädchen in Afrika und Lateinamerika und der Karibik (181.000).
Die Corona-Pandemie führt zu einem deutlichen Anstieg von Kinderehen und gefährdet die Fortschritte für die Gleichstellung von Mädchen. Einem neuen Bericht von Save the Children zufolge werden allein im Jahr 2020 eine halbe Million Mädchen mehr als im Jahr zuvor, zwangsverheiratet. Sogar eine Million Minderjährige sind in Gefahr zusätzlich schwanger zu werden und könnten dadurch ihr Leben verlieren - denn Geburten sind die häufigste Todesursache bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren.
Der Report „Global Girlhood 2020: COVID-19 and Progress in Peril“ lenkt zehn Tage vor dem Internationalen Mädchentag am 11. Oktober und 25 Jahre nach der wegweisenden Pekinger Weltfrauenkonferenz den Blick auf die Situation von Mädchen im Lichte der Pandemie.
In den kommenden fünf Jahren wird mit einem Anstieg von Kinderehen um bis zu 2,5 Millionen gerechnet, die Gesamtzahl dürfte bis 2025 auf 61 Millionen steigen. Als Folge sind drastisch steigende Zahlen für Teenager-Schwangerschaften und Schulabbrüche zu erwarten.
Damit werden die vergangenen 25 Jahre Fortschritt zunichte gemacht, in denen die Zahl der Kinderehen kontinuierlich sank.
Die Pandemie führt dazu, dass mehr Familien in die Armut gedrängt werden und viele Mädchen gezwungen sind, zu arbeiten, um ihre Familien zu ernähren, ohne Nahrung auszukommen, die wichtigsten Betreuer für kranke Familienmitglieder zu werden und die Schule abzubrechen - mit weit geringeren Chancen als Jungen, jemals wieder zurückzukehren.
Der Bericht zeigt außerdem
Humanitäre Krisen In humanitären Krisen wie Kriegen, Überschwemmungen, Dürren, Erdbeben und Krankheitsausbrüchen sind Mädchen am stärksten von Frühverheiratung bedroht.
Schulschliessung Die Pandemie-bedingten Schulschliessungen haben weltweit die Schullaufbahn von 1,6 Milliarden Kindern unterbrochen. Save the Children warnt vor einem Bildungsnotstand, denn 9,7 Millionen Kinder werden möglicherweise nicht zur Schule zurückkehren. Besonders betroffen vom Schulabbruch sind erfahrungsgemäss Mädchen.
Geschlechtsspezifische Gewalt Überall auf der Welt sind die geschlechtsspezifische Gewalt sowie weibliche Genitalverstümmelung durch die COVID-19-Pandemie angestiegen.
Ein wachsendes Risiko von Gewalt und sexueller Ausbeutung in Verbindung mit wachsender Nahrungsmittel- und wirtschaftlicher Unsicherheit - insbesondere in humanitären Notsituationen - bedeutet auch, dass viele Eltern das Gefühl haben, sie hätten keine andere Wahl, als ihre Mädchen zu zwingen, Männer zu heiraten, die oft viel älter sind. Diese Ehen verletzen die Rechte der Mädchen und setzen sie einem erhöhten Risiko von Depressionen, lebenslanger Gewalt, Behinderungen und sogar dem Tod aus - auch bei der Geburt, da ihr Körper einfach nicht bereit ist, Kinder zu gebären.
Sunita* ist 16 Jahre alt und lebt in Indien. Im Mai 2016, im Alter von 12 Jahren, wurde sie von ihren Eltern aufgrund der finanziellen Zwänge der Familie verheiratet. Zu dieser Zeit war Sunita* in der Schule eingeschrieben, aber nach ihrer Heirat war sie gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen.
AKTIONSPLATTFORM FÜR MEHR GLEICHSTELLUNG
Auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 verabschiedeten die UN-Mitgliedstaaten eine Aktionsplattform zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung von Frauen und Mädchen. Am 1. Oktober 2020 findet im Rahmen der UN-Vollversammlung in New York ein hochrangiges Treffen statt, um anlässlich des 25. Jahrestags der Konferenz die Geschlechtergerechtigkeit voranzutreiben.
Save the Children fordert die Regierungen auf:
- Mädchen mehr Gehör zu verschaffen, indem ihr Recht auf Teilhabe an allen öffentlichen Entscheidungsprozessen zu COVID-19-Massnahmen unterstützt wird.
- Unmittelbare und schleichende Risiken für geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, die durch die COVID-19-Pandemie wieder verstärkt wurden.
- Frühverheiratung zu beenden und bereits verheiratete Mädchen durch Gesetzesreformen in ihren Rechten zu stärken.
- Jetzt in Mädchen zu investieren, um die schlimmsten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für Mädchen abzumildern und langfristige Verbesserungen ihrer Situation zu bewirken.
- Jedes Mädchen wahrzunehmen, etwa durch verbesserte und differenziertere Datenerhebungen.
Jedes Jahr werden etwa 12 Millionen Mädchen verheiratet, zwei Millionen vor ihrem 15. Geburtstag. Allein in diesem Jahr sind eine halbe Million Mädchen zusätzlich davon bedroht - und das sind nur die Fälle, die uns bekannt sind. Wir gehen davon aus, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist.
Kompletter Bericht in Englisch: Global Girlhood report 2020: COVID-19 and Progress in Peril Die Corona-Pandemie führt zu einem deutlichen Anstieg von Kinderehen und gefährdet die Fortschritte für die Gleichstellung von Mädchen. Einem neuen Bericht von Save the Children zufolge werden allein im Jahr 2020 eine halbe Million Mädchen mehr zwangsverheiratet. pdf - 3,41 MB