In jedem Mädchen steckt eine Pippi Langstrumpf

Anlässlich ihres 75. Geburtstags setzt sich Pippi Langstrumpf in einer weltweiten Kampagne gemeinsam mit Save the Children und Unterstützern aus Wirtschaft und Öffentlichkeit für die Stärkung von Mädchen auf der Flucht ein.

Aber ich habe Geburtstag und da kann ich euch ja wohl auch etwas schenken!

Pippi Langstrumpf

Zusammen stark für Mädchen in Not

Gemeinsam mit Pippi Langstrumpf – dem stärksten Mädchen der Welt – und vielen Unterstützerinnen und Unterstützern geben die Astrid Lindgren Company und Save the Children Mädchen auf der Flucht eine Stimme. Denn jedes Mädchen hat das Recht, ihre eigene Geschichte zu erzählen und gehört zu werden.

In jedem Mädchen steckt eine Pippi

Vor 75 Jahren liess Astrid Lindgren, die Autorin der Kinderbuchreihe „Pippi Langstrumpf“, das stärkste Mädchen der Welt zu ihrem ersten Abenteuer aufbrechen. Mit einem Segelboot überquerte sie den Pazifik, nur um sich schliesslich in einer neuen, unbekannten Stadt wiederzufinden.

Auch im Jahr 2020 gibt es viele solch starke Mädchen, die aus ihrer Heimat fliehen müssen. Mehr als die Hälfte der 79,5 Millionen Menschen, die heutzutage auf der Flucht sind, sind Kinder. Darunter befinden sich viele Mädchen, die besonders unter den traumatischen Bedingungen einer Flucht leiden und Gefahren ausgesetzt sind.
Oft haben sie, anders als Pippi, keine andere Wahl als ihr zu Hause zu verlassen. Sie müssen lange und gefährliche Wege auf sich nehmen, um dann in neuen Städten, und unbekannten Ländern zu landen. An Orten, wo alle anders reden und anders leben und sie fremd sind.

Diese Mädchen müssen stark sein für sich selbst, für ihre Geschwister und oftmals auch für ihre Eltern. Und trotzdem sind sie voller Mut und haben wie jedes Kind den Wunsch zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Genau wie Pippi können auch diese Mädchen die grossen Herausforderungen in ihrem Leben meistern. Sie alle sind Pippis von Heute – Pippis of Today.

Icon Girl

SO HELFEN WIR MÄDCHEN AUF DER FLUCHT

Icon Apfel

In den Herkunftsländern: Wir verbessern die Chancen für Familien, ihren Lebensunterhalt zu erwerben, arbeiten daran, geschlechtsspezifische Gewalt und Kinderehen zu verhindern, sowie den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten nachhaltig zu stärken.

Icon Fluechtende

Während der Flucht: Wir arbeiten mit Behörden und verbessern ihre Fähigkeiten, Mädchen auf der Flucht zu helfen. Wir bieten psychologische und psychosoziale Unterstützung und stellen sicher, dass Mädchen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und einer funktionierenden Gesundheitsversorgung haben.

Icon Apfel

In den Aufnahmeländern: In der Schweiz tragen wir dazu bei, dass Kinder in Asylzentren eine kinderfreundliche und -gerechte Umgebung antreffen und somit einen Ort haben, in dem sie zur Ruhe kommen können und betreut sind.

Dazu passend:

Lesen Sie hier die Geschichten der Pippis von heute!

In jedem Mädchen steckt eine Pippi Langstrumpf. Du kannst es in ihrer Stimme hören, in ihren Augen oder in ihrem Haar sehen. Es ist eine Stärke, die ihr Hoffnung und Mut verleiht, ihr hilft, Herausforderungen zu meistern und manchmal anders zu sein als andere.

Einige Mädchen müssen mehr bewältigen als andere. Angst, Einsamkeit und Verletzlichkeit. Unsichtbar für die Welt. Erlebnisse, die manchmal einer besseren Zukunft im Weg stehen. Zu ihnen gehören die Mädchen, welche sich auf der Flucht vor Krieg und Armut befinden. Die Zahl von Mädchen auf der Flucht ist seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr so hoch gewesen wie heute. Ihre Geschichten müssen erzählt und gehört werden.

Deshalb hat Save the Children mit 13 Mädchen auf der Flucht gesprochen. In den Interviews erzählen sie von ihren Erlebnissen, geben Einblick in ihren aktuellen Lebensalltag und ihre Träume für die Zukunft. Ihre Stärke, ihr Mut und ihr Optimismus sind beeindruckend – sie sind die Pippis von heute.

“Alles, was ich mitgebracht habe, passt in meine kleine Tasche."

Luisa (12)

Luisa

Luisa (12)

Luisa ist ein sehr kluges und fröhliches Mädchen. Trotz ihrer aktuellen Situation scheint sie sehr selbstbewusst und widerstandsfähig. Ihr Optimismus ist ansteckend und hilft ihr durch diese schwierige Zeit.

„Ich packte meine Kleider, meine Notizbücher und ein paar Bücher. Und etwas Stoff, aus dem ich Kleider für die Puppe meiner kleinen Schwester mache.“ sagt Luisa. Sie ist 12 Jahre alt und eine von über einer Million Menschen, die aufgrund von Nahrungsmittelknappheit, wirtschaftlicher Not und zunehmender Gewalt aus Venezuela in das benachbarte Kolumbien geflohen sind.

„Ich kam mit meinem Vater über die Grenze, aber er fand Arbeit an einem Ort, wo er mich nicht mitnehmen konnte, also liess er mich hier bei meiner Mutter zurück“, sagt Luisa. „Ich war traurig, Venezuela zu verlassen, weil ich wusste, dass ich meine Verwandten sehr vermissen würde. Aber ich war auch glücklich meine Mutter wiederzusehen. Wir haben uns lange und fest umarmt, als ich sie zum ersten Mal wieder sah.

Die Flucht nach Kolumbien war für Luisa eine grosse Veränderung. Sie kannte sich nicht aus, die Umgebung war völlig unbekannt, die Leute sprachen seltsam, benutzten andere Wörter für Dinge und sie hatte ihre Freunde und Verwandten nicht mehr in der Nähe.

Mädchen, die mit ihren Familien aus ihrem Zuhause vertrieben werden, sind auf der Flucht besonders gefährdet. Luisas Heimat im Grenzgebiet von Kolumbien ist seit Jahrzehnten Schauplatz von kämpfen zwischen Guerillagruppen und der Regierung. Die organisierte Kriminalität, Drogen- und Menschenhandel sind allgegenwärtig und Gewalt ist weit verbreitet.

Luisa musste aufgrund der Flucht die Schule abbrechen. Sie vermisst ihre Schulfreunde, den Park und das Einkaufszentrum, in das sie früher in Venezuela ging. Heute besucht sie den kinderfreundlichen Raum von Save the Children, wo Flüchtlingskinder die Möglichkeit erhalten zu spielen, zu lernen und einfach wieder Kind zu sein. Kinder aus Venezuela haben zwar das Recht, in Kolumbien die Schule zu besuchen, aufgrund der grossen Anzahl Flüchtlinge sind die Kapazitäten der Schulen jedoch schon lange ausgeschöpft.

„Ich bin bis zur sechsten Klasse in die Schule gegangen“, sagt Luisa. „Ich habe bisher nur zwei Monate am Ende des Schuljahres verpasst. Meine Mutter sucht einen Platz für mich in einer Schule hier. Das Beste am Leben in Kolumbien ist, dass ich hier Freunde gefunden habe, ich bei meiner Mutter sein kann, wir ein kleines Haus haben, und ich bei meiner kleinen Schwester bin. Ich habe drei neue Freunde – zwei Mädchen und einen Jungen – mit denen ich spiele. Und wir gehen zusammen in den kinderfreundlichen Raum von Save the Children – dort bin ich jeden Tag“.

Luisa lebt seit der Flucht mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrer kleinen Schwester in einem Ein-Zimmer-Haus nahe der Grenze. In dieser Gegend leben viele Flüchtlinge und Migranten. Sie möchte Flugbegleiterin werden, reisen und viele Sprachen lernen. Manchmal, wenn die Leute zweifeln und sagen, dass etwas nicht möglich ist, sagt sie: „Die einfachen Dinge? Ich habe sie bereits erreicht. Die schwierigen Dinge? Sie geschehen jetzt. Das Unmögliche? Habe ich noch nicht angepackt, werde ich aber auch noch schaffen.“

Adriana

Adriana (14)

„Wir haben den Fluss in einem Kanu überquert,“ erzählt Adriana. „Ich hatte ein bisschen Angst, aber es blieb uns keine Wahl.“
Die vierzehnjährige Adriana ist aus Venezuela geflohen. Sie lebt mit ihrer Grossmutter, ihrer Tante und zwei ihrer jüngeren Geschwister in Kolumbien, auf der anderen Seite des Flusses der die zwei Länder trennt. Zwei jüngere Geschwister sind immer noch in Venezuela. Ihre Mutter und ihr Vater sind gestorben.

Wir sind hierher gekommen, weil wir dort nichts mehr hatten,“ sagt Adriana. „Manchmal hatten wir nichts zu Essen und wir hatten kein Geld um zu überleben. Wir konnten nicht zur Schule gehen und Wasser gab es oft auch keines.

Wegen der Krise in Venezuela haben fast fünf Millionen Menschen gezwungenermassen das Land verlassen. Gewalt, Nahrungsmittelknappheit und der Kollaps von grundlegenden staatlichen Dienstleistungen wie Bildung oder Gesundheitsversorgung haben das Leben unerträglich gemacht. „Hier in Kolumbien ist es besser als in Venezuela,“ sagt Adriana. „Wir sind hier nicht so hungrig wie in Venezuela. Das Leben ist auch hier schwer, aber ein bisschen besser.“

Kinder – und insbesondere Mädchen – auf der Flucht sind sehr verletzlich. In den Grenzregionen von Kolumbien herrscht ein fragiler Frieden zwischen Guerillagruppen, Regierungstruppen und anderen paramilitärischen Organisationen. Deshalb besteht ein reales Risiko, dass Kinder von solchen Gruppen rekrutiert werden. Etablierte Netzwerke für Kinderprostitution und die konstante Präsenz bewaffneter Männer bedeuten, dass Missbrauch weit verbreitet ist.

Adriana musste die Schule verlassen als sie Venezuela verliess, aber jetzt besucht fast täglich sie einen von Save the Children betriebenen kinderfreundlichen Raum. In diesem Zentrum nah an ihrem zu Hause fühlt sie sich sicher, kann andere Kinder treffen und lernen. Am besten gefallen ihr das Basteln und Malen.

„Ich kann nicht zur Schule gehen, da ich nicht die korrekten Einwanderungsdokumente habe. Aber ich würde sehr gerne hier lernen. Mathe ist mein Lieblingsfach. Ich habe meine eigenen Armbänder und Ohrringe gebastelt,“ sagt Adriana. „Halsketten sind schwieriger zu machen, das habe ich bisher nicht gelernt, weil es sehr herausfordernd ist.“

Es ist schwer für Adriana über die Zukunft nachzudenken. Sie konzentriert sich vor allem auf ihre jüngeren Geschwister und ihre Schwester und ihren Bruder die noch in Venezuela sind. „Momentan denke ich gar nicht über meine eigene Zukunft nach. Ich wünsche mir nur, dass meine Schwestern sich weiterentwickeln können und dass Gott ihnen hilft. Ich träume davon, dass wir alle wieder zusammen sein können.“

Gazal

Gazal ist 10 Jahre alt und geht in die dritte Klasse. Sie lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in einem kleinen Dorf im Norden Schwedens. Bevor sie vor vier Jahren nach Schweden kamen lebten sie in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Gazal‘s Asylantrag in Schweden wurde wie der ihrer anderen Familienmitglieder abgelehnt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sie mit ihrer Familie nach Afghanistan zurückgesendet wird.

“Es ist hier besser als in Afghanistan,” sagt Gazal. “Hier können wir zur Schule gehen und spielen.”

Gazal mag es zur Schule zu gehen. Ihr liebstes Schulfach ist Mathe und Schwedisch zu lernen fiel ihr ausgesprochen leicht. Viele ihrer Freunde, die auch in Übergangsunterbringungen der schwedischen Einwanderungsbehörde leben, kommen aus Afghanistan. Sie reden meistens Schwedisch miteinander, um die Sprache zu lernen.

“Ich helfe neuen Leuten, die die Sprache noch nicht sprechen,” sagt Gazal. “Aber ich übersetze und spreche nicht für sie, denn sie müssen Schwedisch selbst lernen.”

Die Familie wartet aktuell noch auf die offizielle Rückmeldung zur Aufenthaltsgenehmigung für Gazal’s kleine Schwester. Der Asylantrag aller anderen Familienmitglieder wurde abgelehnt, auch in der Berufung. Die kleine Schwester von Gazal wurde in Schweden geboren.

“Ich gebe ihr Essen, wenn sie hungrig ist,” sagt Gazal über ihre kleine Schwester, “und ich decke sie zu wenn sie schläft. Manchmal schlafe ich neben ihr, aber dann wacht sie auf und weint.”

Gazal hört viel indische Musik und schaut indische Musik Videos. Sie tanzt und singt gerne und wenn sie gross ist möchte sie Sängerin werden. In der Nähe ihrer Schule gibt es eine Bibliothek, die sie oft besucht. Am liebsten mag sie Bücher mit vielen Bildern, so wie die Bücher über Pippi Langstrumpf.

“Ich bin schon ein bisschen stark,” sagt Gazal wenn sie über die super starke Pippi in den Büchern spricht. “Aber ein Pferd hochheben kann ich nicht.”

Karma

Karma ist zwar erst 10 Jahre alt, aber jetzt schon ein starkes Mädchen. Sie lebt mit ihrer Familie in einer Wohnung in einem kleinen Dorf in Nordschweden. Das Dorf hat weniger als 1.000 Einwohner, weshalb der Kontrast zu Karmas ägyptischer Heimatstadt Kairo kaum größer sein könnte.

Doch das ist nicht die einzige Herausforderung für Karma und ihre Familie, denn sie warten weiterhin auf die Entscheidung, ob ihnen Schweden Asyl gewährt oder nicht. Außerdem wusste Karma, dass sie in Schweden eine andere Sprache sprechen: „Ich dachte, es wäre leicht Schwedisch zu lernen, aber das war es nicht.“

Karma erinnert sich kaum noch an den Tag vor einem Jahr, als ihre Familie hier in Nordschweden ankam. Sie habe Chips gegessen, es war kalt und regnerisch. Als Karmas Familie damals aus dem Bus stieg, wusste keiner von ihnen, wohin sie gehen, oder was sie tun sollten. Zufällig trafen sie auf Mitarbeiter von Save the Children, die ihnen halfen und die kommunale Flüchtlingsdienststelle alarmierten.

In Schweden ist vieles neu für Karma. „Hier schneit es im Winter. Meine Geschwister und ich hatten noch nie im Schnee gespielt. Als es das erste Mal geschneit hat, waren wir so aufgeregt. Wir hatten zwar noch keine Winterkleidung, aber wir haben einfach alles angezogen, was wir hatten und sind rausgerannt“, erzählt sie.

Es gibt noch mehr, was Karma an ihrem neuen Leben gefällt. Auch wenn sie ihre beiden besten Freundinnen aus Ägypten sehr vermisst, hat sie in Schweden neue Freunde gefunden, vor allem durch die Schule.
„Ich hatte eine simple Strategie: Ich fragte die anderen Kinder einfach direkt nach ihren Namen!“, lacht Karma. „Dann fragten sie mich nach meinem, und so kamen wir von einer Frage zur nächsten und lernten uns kennen.“ Generell gefällt Karma ihre schwedische Schule. Sie lernt dort neue Dinge, und der Leistungsdruck ist nicht so ausgeprägt wie in ihrer alten Schule in Kairo. Das Lehrerkollegium ist sehr international, was Karma das Gefühl nimmt, eine Außenseiterin zu sein.

Das Einfinden in ein neues Leben ist keine leichte Aufgabe. Die meisten Kinder flüchten zwar gemeinsam mit ihrer Familie, aber sie enden trotzdem in einer ihnen unbekannten Umgebung und sind dadurch gefährdet. Save the Children unterstützt Familien dabei, die Veränderungen und den Stress, den eine völlig neue Umgebung mit sich bringt, zu bewältigen. Jedes Kind hat das Recht, sich sicher zu fühlen, egal wo es sich aufhält.

Naw Si Si

Naw Si Si* ist 14 Jahre alt und lebt mit ihren fünf Geschwistern und ihrer Großmutter in einem Holzhaus auf Stelzen, nahe der thailändischen Grenze zu Myanmar.

Naw Si Si gehört zur burmesischen Volksgruppe der Karen. Wirtschaftliche Gründe treiben einen Großteil von Myanmar nach Thailand. Aber auch der seit Jahrzehnten anhaltende bewaffnete Konflikt hat viele von ihnen gezwungen, nach Thailand zu fliehen. Inzwischen gibt es einen Waffenstillstand, aber viele Karen sind in Thailand geblieben und kehren nur noch gelegentlich zurück über die Grenze.

In den thailändischen Grenzgebieten leben mittlerweile viele Flüchtlinge und MigrantInnen aus Myanmar, allerdings meist getrennt von der thailändischen Bevölkerung. Jede Gruppe spricht ihre eigene Sprache und ein Austausch findet nur selten statt.

Trotzdem gefällt Naw Si Si etwas an ihrem Leben in Thailand: „Das Beste an meinem Leben in Thailand ist, dass ich hier die Chance habe zu lernen und zu studieren“, erklärt Naw Si Si. Sie ist jetzt in der achten Klasse und möchte später Ärztin werden. „In Thailand kannst du zur Schule gehen, egal woher du kommst.“

Aber sie vermisst auch vieles, vor allem ihre Eltern. Naw Si Sis leiblicher Vater starb, als sie klein war. Ihre Mutter lebt mit ihrem neuen Ehemann in Bangkok, weil die beiden dort Arbeit gefunden haben. Naw Si Si sieht sie ungefähr alle zwei Jahre, da sie es sich nur selten leisten können heimzukehren.

Außerdem fehlt ihr ihre beste Freundin. „Ich habe viele Freunde hier, aber meine beste Freundin musste zurück nach Myanmar. Jetzt haben wir keinen Kontakt mehr. Wenn ich daran denke, kommen mir die Tränen“, sagt Naw Si Si traurig.

Trotz dieser persönlichen Rückschläge gibt Naw Si Si nicht auf. Sie nimmt an einem Führungstraining für junge Flüchtlinge und MigrantInnen teil, organisiert von einer lokalen Partnerorganisation von Save the Children. „Ich fühle mich stärker“, sagt Naw Si Si. „Früher habe ich mich kaum getraut, vor Erwachsenen den Mund aufzumachen, aber durch das Training wurde ich mutiger.“

Jetzt versucht sie, ihre Freunde und vor allem die Mädchen in ihrer Gemeinde ebenfalls zu ermuntern. Oft werden die Ambitionen junger Mädchen belächelt, was sie zögern lässt, mit Erwachsenen über ihre Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen.

Naw Si Sis Appell lautet: „Seid nicht schüchtern und schämt euch nicht für eure Wünsche und Träume! Ich komme aus Myanmar, aber ich kann alles werden, was ich will, solange ich es nur versuche. Keiner weiß, was die Zukunft bringt, deswegen lasse ich mir auch von niemandem sagen, wer ich werden kann und wer nicht.“

 

Mary

Marys Familie gehört einer ethnischen Minderheit in Myanmar an. Heute leben sie, ihre Mutter und ihre Schwester an der thailändischen Grenze zu Myanmar, und Mary besucht dort eine christliche Schule.

„Der Ort, an dem wir jetzt leben, ist nichts Besonderes“, erzählt Mary. „Es gibt gute und schlechte Zeiten, wie an jedem normalen Ort.“ Aber in Thailand fühlt sie sich sicher.

In der Hoffnung auf Arbeit und Sicherheit emigrierte Marys Mutter vor mehr als einem Jahrzehnt nach Thailand. Wirtschaftliche Gründe und der seit Jahrzehnten anhaltende bewaffnete Konflikt treiben viele Menschen von Myanmar nach Thailand.

Wie so viele andere kam Marys Mutter zu einer schwierigen Zeit, denn es gab damals vermehrt Razzien gegen Migranten. Sie musste sich vor den lokalen Sicherheitsbehörden verstecken. Erst als sich die Situation beruhigte, fand sie Arbeit und später auch eine Schule für ihre Töchter.

In den thailändischen Grenzgebieten leben mittlerweile große Gemeinden von Flüchtlingen und MigrantInnen aus Myanmar, allerdings meist getrennt von der thailändischen Bevölkerung. Jede Gruppe spricht ihre eigene Sprache und ein Austausch findet nur selten statt.

Mary kennt zwar einige Thailänder, aber alle ihre FreundInnen haben denselben ethnischen Hintergrund wie sie.

Trotz dieser gesellschaftlichen Hindernisse hat sich Mary ein stabiles Sozialleben aufgebaut. Sie absolviert eine musikalische Ausbildung, die eine lokale Partnerorganisation von Save the Children organisiert. Hier kommen Kinder mit Migrationshintergrund jedes Wochenende zusammen, um zu musizieren, zu spielen und Kontakte zu knüpfen.

„Ich habe mich für die Gitarre entschieden“, erzählt Mary begeistert. Musik macht sie glücklich und nimmt in ihrem Leben eine wichtige Rolle ein. „Wenn ich traurig bin oder etwas Schlimmes passiert, konzentriere ich mich ganz auf meine Gitarre und durch das Spielen wird mein Kopf frei.“

Außerdem liebt Mary Popmusik und tanzt gerne. Später möchte sie professionelle Tänzerin werden. Für diesen Traum wird sie in ihrer Gemeinde manchmal kritisiert.
„Wenn mir die Leute sagen, dass ich keine Tänzerin sein kann, antworte ich nur: Ich werde es schaffen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber es wird passieren, egal was ihr sagt.“

Ich möchte, dass alle Menschen gleichbehandelt werden, egal ob sie aus Myanmar oder Thailand kommen. Keiner sollte aufgrund seiner Herkunft schlechter behandelt werden, schließlich sind wir alle Menschen.

Mary, 14 aus Myanmar

Anna

Annas* Familie gehört in Myanmar einer ethnischen Minderheit an.

Hunderttausende Angehörige verschiedener Minderheitengruppen fliehen seit Jahrzehnten aus wirtschaftlicher Not und vor der andauernden Gewalt in Myanmar. Viele von ihnen haben sich dauerhaft in Thailand niedergelassen.

Heute lebt Anna mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in Thailand und besucht eine christliche Schule.

„Hier [m.l.: in Thailand] passiert nicht viel“, erzählt sie. „Es ist sicher, deswegen bleiben wir.“

Allerdings haben Anna und ihre Schwester keine offiziellen Papiere für Myanmar oder für Thailand. Da sie minderjährig sind, können sie sich auf Verlangen zumindest mit ihren Geburtsurkunden ausweisen. Aber ihre Mutter Joy* sorgt sich, denn sollten sie erkranken, haben sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlung.

Anna geht zwar in die Schule, allerdings ist diese Teil eines informellen Bildungssystems für MigrantInnen. Wenn Anna sich weiterbilden oder studieren will, braucht sie von den thailändischen Behörden die richtigen Dokumente.

„Ich werde meine Schulausbildung beenden“, sagt Anna. „Was auch immer auf dem Weg dorthin passiert, ich werde mich allen Hindernissen stellen und nicht aufgeben, sondern mein Bestes geben.“

Vor allem will Anna aber ihre fußballerischen Fähigkeiten ausbauen. Seit sie klein ist, liebt sie Fußball und wann immer sie kann, schaut sie sich Spiele im Fernsehen an. Ihr größter Traum ist es, eines Tages professionell zu spielen.

„Wenn ich Ronaldo und andere Profis spielen sehe, inspiriert mich das und verleiht mir Energie“, lächelt sie. „Ich möchte so spielen können wie sie, aber ich habe leider niemanden, der es mir beibringen kann.“

Wenn sie von ihrem Traum erzählt, begegnen ihr die Erwachsenen häufig mit Skepsis. „Manchmal bin ich deprimiert, wenn sie mir sagen, dass ich keine Fußballerin sein kann. Leute in meinem Alter sagen das nicht, nur ältere Menschen, auch meine LehrerInnen. Weil sie älter sind, wiederspreche ich ihnen nicht. Stattdessen spiele ich einfach weiter.“

„Schließlich hat jedes Kind seine eigenen Ambitionen“, erklärt Anna. „Und beim Sport ist es doch vollkommen egal, ob man Frau oder Mann, Junge oder Mädchen ist. Jeder kann spielen, solange es ihm oder ihr Spaß macht.“

 

Leen

Leen* ist 11 Jahre alt und stammt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Vor fünf Jahren flüchtete sie mit ihrer Familie nach Schweden. Heute leben sie in Nordschweden, aber die Erinnerungen an ihr Zuhause in Syrien sind allgegenwärtig, geprägt von Frieden und Gewalt zugleich.

„Unsere Wohnung in Damaskus war schön und sehr gemütlich. Mein Bruder und ich hatten sogar unser eigenes Spielzimmer“, erinnert sich Leen. Aber der andauernde Krieg war trotzdem immer ganz nah.

„Ich war bei meiner Tante zuhause und musste dringend auf die Toilette“, erzählt sie. „Aber ich hatte solche Angst vor den Bomben… Nach einer langen Auseinandersetzung mit meiner Mutter ging ich schließlich… Und dann schlug ganz in der Nähe plötzlich eine Bombe ein. Vor lauter Angst zerbrach ich den Toilettensitz.“

Der Krieg wurde in Syrien zur Normalität und zwang die Familie, ihre Heimat hinter sich zulassen. Leens Vater machte sich als Erster auf den Weg nach Schweden. Er bezahlte Schmuggler, um über den Seeweg nach Europa zu gelangen. Wie so viele andere landete er zuerst in Griechenland. Von dort reiste er weiter nach Schweden. Nach sechs Monaten Trennung durfte der Rest der Familie mit dem Flugzeug nachkommen.

„Erst habe ich nicht geglaubt, dass das Papa ist“, erinnert sich Leen an das erste Wiedersehen mit ihrem Vater am Flughafen von Stockholm. „Aber dann erkannte ich ihn, er kam auf uns zu, und wir umarmten uns.“

„Meine Mama und mein Papa sind meine Vorbilder“, sagt sie lächelnd. „Ich fühle mich wie in einer ‚Zukunftsmaschine‘, wenn ich sie sehe. Ich möchte später so leben, wie sie das jetzt tun.“

Leen fand schnell Anschluss in Schweden. Kindern fällt dies oft leichter als ihren Eltern. Leen kam direkt auf eine schwedische Schule, schloss sich den Pfadfindern an und begann Fußball zu spielen.

Eltern fällt es manchmal schwerer in einer neuen Umgebung soziale Kontakte zu knüpfen. Deswegen unterstützt Save the Children neu angekommene Familien und hilft ihnen, Wege zu finden, damit sie sich ein soziales Umfeld aufbauen können. Das Gefühl von Sicherheit und Mitbestimmung ist dabei essentiell, nur so kann man sich in eine neue Gesellschaft einfinden.

Leen weiß, welche Bedeutung soziale Kontakte und Freundschaft haben: „Ein guter Freund kümmert sich um andere, er bleibt bei dir und unterstützt dich.“

„Einmal gab es eine Explosion ganz in der Nähe meiner Schule. Wir waren gerade auf dem Flur, viele von uns bekamen große Angst und fingen an zu weinen, auch ich. Der Lehrer versuchte, uns zu beruhigen, und dann gingen wir zurück ins Klassenzimmer.“

Aye Aye

Aye Ayes Kindheit war kurz. Als sie 10 Jahre alt war, starb ihre Mutter. Aye Aye übernahm deren Rolle und begann, sich um ihre jüngere Schwester zu kümmern. Die Familie lebt heute in Thailand, nachdem sie ihr Zuhause in Myanmar vor einigen Jahren überstürzt verlassen musste.

„In Myanmar gab es keine Zukunft für uns, deswegen sind wir hergekommen. Alles passierte ganz plötzlich, wir haben uns nicht vorbereitet“, erzählt Aye Aye. „Wir kamen mit dem Auto, aber an die Reise selbst erinnere ich mich nicht.“

Die andauernden Auseinandersetzungen in Myanmar haben auch die ohnehin schon schwierige wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert und dazu geführt, dass hunderttausende Familien über die Grenze nach Thailand geflüchtet sind.

Heute ist Aye Aye 12 und lebt gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer jüngeren Schwester. Ihr Vater arbeitet als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft in langen Schichten. Ihre zwei älteren Schwestern sind inzwischen verheiratet und weggezogen.

Deswegen passt Aye Aye viel auf ihre kleine Schwester auf. Außerdem besucht sie eine Schule für Flüchtlings- und Migrantenkinder, die eine Partnerorganisation von Save the Children leitet: „Mein Lieblingsfach ist burmesische Literatur“.

„Wenn ich die Schule beendet habe, möchte ich Näherin werden, um meinem Vater dabei zu helfen, unsere Familie zu unterstützen. Er ist alt und soll nicht mehr so viel arbeiten“, sagt Aye Aye.

Junge Mädchen sind auf der Flucht besonders gefährdet. Die Schule, die Aye Aye besucht, hilft, wieder Stabilität in das Leben dieser Kinder zu bringen. Save the Children bietet gemeinsam mit einer Partnerorganisation Kindern hier eine Ausbildung, die sich an ihren diversen sprachlichen Bedürfnissen orientiert und daran anpasst.

Ein normaler Tag beginnt damit, dass ich mir mein Gesicht wasche, meine Zähne putze und mich umziehe. Anschließend gehe ich in die Schule und den Rest des Tages lerne ich.

Claudia

Claudia* ist erst 12 Jahre alt, aber trägt schon jetzt große Verantwortung. Verzweifelt auf der Suche nach Arbeit und einem Einkommen war ihre Mutter gezwungen, Venezuela zu verlassen, und Claudia und eine ihrer kleinen Schwestern zurückzulassen.

Im benachbarten Kolumbien fand die Mutter schließlich Arbeit, musste aber auf der Strasse schlafen.

Die Krise hat inzwischen fast fünf Millionen Menschen gezwungen, aus Venezuela zu fliehen. Zunehmende Gewalt, Nahrungsmittelknappheit und der Zusammenbruch grundlegender staatlicher Versorgungsinstitutionen wie dem Bildungs- oder dem Gesundheitssystem machen das Leben dort nur schwer erträglich.

„Die Situation dort ist wirklich schrecklich“, berichtet Claudia.

Gemeinsam mit Mariana, einer Freundin der Familie, überquerte auch Claudia nach einiger Zeit schließlich die Grenze. Sie musste bei Mariana bleiben und lebt jetzt nahe der kolumbianischen Grenzstadt, wo ihre Mutter inzwischen mit ihrer kleinen Schwester wohnt. Claudia sieht sie von Zeit zu Zeit.

„In Venezuela waren meine Mutter und ich immer zusammen“, erzählt Claudia traurig. „Aber jetzt muss ich bei Mariana leben, weil meine Mutter auf dem Marktplatz lebt. Ich will bei ihr sein, aber unser Geld reicht nicht aus. Mit dem wenigen Geld, was sie verdient, kann meine Mutter gerade einmal Lebensmittel für sich und meine kleine Schwester kaufen.“

Familien, die aus wirtschaftlicher Not heraus fliehen, haben es in ihrer neuen Umgebung oft ähnlich schwer. Das kolumbianische Grenzgebiet, in dem Claudia lebt, ist die Heimat mehrerer bewaffneter Guerilla-Gruppen, die seit Jahrzehnten nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegeneinander kämpfen. Die Strukturen der organisierten Kriminalität sind hier fest etabliert, Drogen- und Menschenhandel sowie Gewaltanwendung sind daher weit verbreitet.

Claudia geht nicht zur Schule aber sie besucht regelmässig den nahegelegenen Child Friendly Space von Save the Children. Hier können Flüchtlings- und Migrantenkinder in einer sicheren Umgebung spielen und lernen. Die informelle Bildung und die Spielmöglichkeiten, die dieses Zentrum bietet, unterstützen die Kinder und helfen ihnen, Freunde zu finden.

„Wenn ich dorthin gehe und mit den anderen Kindern spiele, bin ich glücklich“, lächelt Claudia, „denn ich verbringe gerne Zeit mit meinen Freunden.“

„Ich weiß noch nicht genau, was ich später machen will“, erzählt sie. „Vielleicht werde ich Polizistin, damit ich Menschen helfen kann, vor allem den Kindern, die auf der Strasse leben.“

Wenn ich den Politikern in Venezuela und Kolumbien etwas sagen könnte, würde ich sie bitten, den Zorn der Menschen zu besänftigen, indem sie miteinander sprechen und die notwendigen Lebensmittellieferungen endlich über die Grenze lassen

Hier stellen wir im Laufe der Kampagne weitere starke Mädchen vor – freuen Sie sich!