Sandra Groth und Deborah Schmidiger arbeiten bei Save the Children Schweiz als Expertinnen für Kinderrechte in der Wirtschaft. Sie begleiten Unternehmen dabei, Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Kinder zu übernehmen – mit Wissen, Erfahrung und einem klaren Ziel: Kinderarbeit verhindern, Kinderrechte stärken.

Deborah Schmidiger (links) und Sandra Groth (rechts) arbeiten bei Save the Children Schweiz als Expertinnen für Kinderrechte in der Wirtschaft.

Warum wir tun, was wir tun

Sandra, Deborah – wie seid ihr zu diesem Thema gekommen und gab es einen Moment, der für euch besonders prägend war?

Sandra:
Vor meiner Tätigkeit bei Save the Children habe ich viele Jahre in der Nachhaltigkeitsabteilung grosser Handelsunternehmen gearbeitet – unter anderem mit dem Fokus auf Arbeits- und Sozialstandards in der Lieferkette. Kurz nachdem ich meine erste Stelle angetreten hatte, bin ich für eine erkrankte Kollegin nach Indien gereist. Diese Reise war für mich ein Wendepunkt. Die Armut vor Ort, die vielen bettelnden Kinder – das hat mich tief getroffen. Gleichzeitig hat es mir gezeigt, wie gross der Handlungsbedarf ist. Ich wusste: Ich möchte meinen Beitrag leisten, um die Lebensbedingungen von Kindern zu verbessern.

Deborah:
Ich engagiere mich seit mehr als 15 Jahren im Bereich soziale Nachhaltigkeit. Schon während meines Studiums hat mich das Zusammenspiel von Wirtschaft und Menschenrechten – und besonders Kinderrechten – beschäftigt. In meiner Arbeit für die Schweizer Regierung und für die Vereinten Nationen habe ich die Thematik aus verschiedenen Perspektiven kennengelernt. Diese Vielfalt an Erfahrungen hat meinen Blick geschärft und mir gezeigt, dass es keine einfachen Lösungen gibt – aber viele Möglichkeiten, gemeinsam etwas zu verändern.

Kinderrechte in globalen Lieferketten –
Herausforderungen und Risiken

Wo liegen aus eurer Sicht die grössten Herausforderungen für Unternehmen?

Sandra:
Kinderarbeit passiert oft im Verborgenen – und gängige Audit-Ansätze führen leider häufig dazu, dass sie nur noch weiter in tiefere Stufen der Lieferkette verdrängt wird. Viele Unternehmen glauben, ihre Lieferkette sei „sauber“, weil sie nichts sehen. Aber genau das ist das Problem.

Deborah:
Dazu kommt, dass Unternehmen eine breite Palette von Nachhaltigkeitsherausforderungen erfüllen müssen. Soziale Kriterien werden dabei oft weniger priorisiert als ökologische. Sie sind schwieriger greifbar und messbar und es fehlt oft an Kenntnissen und Wissen zu diesem Thema.

Sandra Groth im Interview zu Kinderrechte in der Wirtschaft

Kinderarbeit passiert oft im Verborgenen – und gängige Audit-Ansätze führen leider häufig dazu, dass sie nur noch weiter in tiefere Stufen der Lieferkette verdrängt wird.

Sandra Groth Manager Corporate Partnerships

Welche Risiken werden häufig übersehen?

Sandra:
Solange die Ursachen für Kinderrechtsverletzungen nicht angegangen werden – Armut, fehlende Bildungsmöglichkeiten, unzureichender Kinderschutz – bleiben Massnahmen an der Oberfläche und ohne nachhaltige Wirkung.

Deborah:
Besonders kritisch sind die tiefsten Stufen der Lieferkette – Kinder, die auf Feldern oder in Minen arbeiten, fernab von Kontroll- und Schutzmechanismen. Besonders gefährdet sind Kinder in Krisengebieten sowie Waisen- und Migrantenkinder.

Gibt es Branchen, in denen das Risiko besonders hoch ist?

Sandra:
Statistisch gesehen ist die Landwirtschaft am stärksten betroffen. Das liegt daran, dass viele Rohstoffe – etwa Kakao oder Kaffee – in Ländern des Globalen Südens von Kleinbauern und ihren Familien produziert werden. Aber auch in der Textilindustrie oder im Bergbau ist das Risiko sehr hoch – überall dort, wo es viele Arbeiter:innen braucht und nur wenige Regulierungen gibt.

 

Save the Children als Partner für Unternehmen

Wie unterstützt Save the Children konkret?

Sandra:
Unsere Angebote richten sich sowohl an Unternehmen selbst als auch an andere Partner – also Lieferanten, Farmer oder ganze Gemeinden. Wir begleiten beim Aufbau von Managementsystemen, führen Risikoanalysen durch, bieten Schulungen an, erstellen Leitfäden. Und wir setzen Programme vor Ort um – zum Beispiel, um den Zugang zu Bildung zu verbessern oder Kinderschutzstrukturen in Gemeinden zu stärken.

Deborah:
Ein konkretes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit einem schweizerischen Kakaohändler in der Elfenbeinküste, wo wir in den Gemeinden Präventionsmassnahmen fördern und von Kinderarbeit betroffene Kinder unterstützen.



Was unterscheidet Save the Children von anderen Akteuren?

Sandra:
Ich denke, es ist die einzigartige Kombination aus unserer lokalen Präsenz in über 100 Ländern weltweit und der unternehmensspezifischen Expertise, die unter anderem durch unsere Schwesterorganisation/Partnerorganisation The Centre for Child Rights and Business abgedeckt wird.

Deborah:
Aus meiner Sicht ist es die Kombination aus direkter Unterstützung von Kindern, Familien und Gemeinden – und dem Einfliessen dieser Erfahrung in die Kooperation mit Regierungen, zum Beispiel zur Stärkung von nationalen Strukturen oder der Verabschiedung von Richtlinien im Bereich Bildung und Kinderschutz.

Deborah Schmidiger im Interview zu Kinderrechte in der Wirtschaft

Die Kombination aus direkter Unterstützung von Kindern, Familien und Gemeinden und die Erfahrung in der Kooperation mit Regierungen macht die Arbeit von Save the Children aus.

Deborah Schmidiger Senior Expert Child Rights and Business

Blick nach vorn – was sich ändern muss

Wenn ihr zehn Jahre in die Zukunft blickt – was muss sich in der Wirtschaft verändern, damit Kinderrechte gestärkt werden?

Sandra:
Ich wünsche mir einen echten Bewusstseinswandel. Weg von reinem «Compliance-Denken», hin zu einer aktiven Förderung von Kinderrechten – nicht nur entlang der Lieferkette, sondern als Teil der Unternehmensverantwortung.

Deborah:
Unternehmen müssten ihre Lieferkette so gestalten, dass alle Akteur:innen – auch Bäuerinnen, Bauern und Minenarbeiter:innen – ein existenzsicherndes Einkommen erzielen können. Dann wären wir einen grossen Schritt weiter.

Und was ist der erste Schritt für Unternehmen, die jetzt starten wollen?

Beide (lachend):
Bei uns melden 😊

Sandra Groth

Sandra Groth hat rund 20 Jahre Erfahrung im Bereich «Corporate Responsibility» mit Schwerpunkt Sicherstellung von Umwelt- und Sozialstandards in globalen Lieferketten. Seit 2022 ist sie bei Save the Children Schweiz für das Thema «Kinderrechte & Wirtschaft» verantwortlich und Ansprechpartnerin für Unternehmen, die gesetzeskonform agieren und ihren Einfluss auf Kinder und ihre Rechte positiv gestalten wollen.

Deborah Schmidiger

Deborah Schmidiger ist seit rund 20 Jahren im Bereich soziale Nachhaltigkeit und Arbeitsrechte in Lieferketten tätig. Seit 2023 ist sie bei Save the Children Schweiz als Expertin für Kinderrechte und Kinderarbeit zuständig für den Aufbau von ganzheitlichen und langfristigen Partnerschaften mit multinationalen Unternehmen, die das Ziel haben, die Ursachen von Kinderarbeit zu bekämpfen.

Kinderarbeit Einfach erklärt

Im Interview von 2024 beantwortet unsere Expertin Sandra Groth die wichtigsten Fragen zum Thema Kinderarbeit, ihren Ursachen und wie Save the Children gemeinsam mit Unternehmen Kinderrechte in Lieferketten schützt.

Zum Beitrag


So unterstützt Save the Children Unternehmen

Kinderrechte in der Lieferkette schützen

Um Mensch und Umwelt besser vor negativen Auswirkungen zu schützen, gelten seit dem 1. Januar 2022 in der Schweiz neue gesetzliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Diese rechtliche Entwicklung geht einher mit vergleichbaren, zum Teil strengeren Gesetzesinitiativen in anderen Ländern Europas sowie auf EU-Ebene. Save the Children unterstützt Sie dabei, Kinderrechte zu wahren, Haftungsrisiken zu reduzieren, Reputationsschäden vorzubeugen und einen Mehrwert für Ihre Marke zu generieren.

So unterstützen wir
Sonja arbeitet in einer Näherei in Bangladesh / Kinderrechte in der Lieferkette