Caterina Meier-Pfister ist Head Programme Partnerships bei Save the Children Schweiz und war mit unserem Partner Preglem/Gedeon Richter für einen Projektbesuch in Indien. Im Interview erzählt sie von den Projekten, die sie besucht und den starken Kontrasten die sie beschäftigt haben.
Sie waren auf Projektbesuch in Indien – was haben Sie da gemacht?
Preglem/Gedeon Richter ist ein langjähriger und geschätzter Firmen-Partner, dessen Unterstützungsbeitrag von Save the Children dort eingesetzt werden kann, wo er am Dringendsten benötigt wird. Zur Zusammenarbeit gehört auch ein jährlicher gemeinsamer Projektbesuch, zu dem Preglem/Gedeon Richter auch ausgewählte Fachleute des Gesundheitswesens einlädt. Zusammen mit meiner Arbeitskollegin Daphné de Laleu habe ich die Reise begleitet. In diesem Fall waren die mitreisenden Gäste Ärzte, die es sehr geschätzt haben, mit eigenen Augen zu sehen, was Save the Children mit seiner Arbeit bewirken kann. Beeindruckt waren sie auch über die unglaubliche Kraft von Kindern und ihren Familien, denen wir begegnet sind und die oft in äusserst prekären Umständen leben.
Welche Projekte setzt Save the Children vor Ort um?
Wir waren in zwei Projektgebieten: Der erste Teil war im Bundesstaat Jharkhand, im Osten von Indien. Nach der langen Reise besuchten wir ein Projekt, das die so wichtige Frühförderung bei Kleinkindern ermöglicht. In dieser Gegend leben viele Stammesgemeinschaften. Wir bilden in den bereits bestehenden sogenannten „Anganwadi-Zentren“, die auch als Gemeinschaftszentren funktionieren, die Mitarbeitenden aus und sensibilisieren auch die Eltern, dass die frühe Förderung ihrer Kinder einen wichtigen Einfluss hat auf ihre Entwicklung. Es ist auch stets eine lokale Organisation vor Ort, die in die Aktivitäten involviert ist. Auch der Einbezug der Väter in die Erziehung ist uns ein Anliegen. Am zweiten Tag waren wir dann in einem Gesundheitsprojekt. Beim medizinischen Zentrum handelte es sich um ein baufälliges, kleines Häuschen mit spärlicher Infrastruktur. Eine Gesundheitshelferin ist für rund 8000 Personen zuständig! Ziel unseres Projektes dort, ebenfalls in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und Behörden, ist u.a. die Erfassung statistischer Grundlagen zu Unter- und Mangelernährung von Kindern, die leider in dieser Region sehr verbreitet sind. Diese Zahlen bilden anschliessend eine wichtige Basis für die verantwortlichen Regierungsstellen zur Budgetierung von nötigen Massnahmen, um die Situation für die Betroffenen zu verbessern.
Nach Jharkhand hatten wir in einem Slum in Süd-Delhi die Gelegenheit zu erleben, wie Kinder und Jugendliche bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, wenn sie mit einbezogen werden. Dies geschieht beispielsweise bei der Erkennung und Behebung von Gefahren für Kinder aber reicht auch bis zur Vorbereitung für den Fall, dass eine Katastrophe wie etwa ein Brand oder eine Überflutung ihr Wohnquartier heimsucht. Auf einer Karte markieren sie Gefahren im Alltag: Offene Stromleitungen, Kanalisationen, Löcher im Weg etc. An strategischen Orten werden in den engen Gassen Sandkübel aufgestellt, um bei einem Kurzschluss Feuer zu löschen. Auch dies wird im Plan markiert, ebenso wie die Wohnstätten von Älteren, Schwangeren oder Personen mit einer Behinderung, um ihnen in Katastrophensituationen schnell helfen zu können.
Ein Team von Kindern und Jugendlichen hat uns demonstriert, wie sie im Fall einer Katastrophe mit einfachen Mitteln einsatzbereit sind: Tragbahren aus einem Tuch, ein Seil mit Knoten als Leiter, trainierte Handgriffe, um verletzte Menschen im Notfall zu evakuieren etc. Der Stolz dieses Teams war nicht nur berührend, sondern auch sehr inspirierend!
Wie sind Ihre Eindrücke? Was war für Sie besonders?
Nun, das Programm war sehr intensiv und wir haben viel gesehen und erlebt. Die Kinder die wir getroffen haben kommen aus sehr armen Verhältnissen, was für ihre Gesundheit teils massive Konsequenzen hat: 45% der Kinder in Jharkhand sind unter- oder mangelernährt, 40% haben nicht wieder gut zu machende Folgeerscheinungen. Das war hart zu sehen und auch die Situation ihrer Mütter hat mich sehr bewegt. Die Gesundheitszentren sind weit weg, Medikamente häufig nicht verfügbar oder dann unbezahlbar– alles sehr herausfordernde Voraussetzungen. Dennoch sind diese Frauen extrem stark und kämpfen täglich für ihre Kinder. Ich bin stolz, mich in meiner Rolle bei Save the Children für sie einsetzen zu können.
In vielen Save the Children-Projekten lernen Eltern aus ärmsten Verhältnissen, wie sie ihre Kinder schon als Baby stimulieren können und dies im Alltag einbauen. Damit können die Weichen für einen optimalen Übergang zur Primarschule gelegt werden, weil die Kinder schon früh ihr Lernbedürfnis stillen und ihr Potential besser ausschöpfen können. Viele Frauen haben mir vor Ort gezeigt, wie sie dies in ihrem Alltag umgesetzt haben und waren voller Stolz, wie gut die Kinder darauf reagieren. Das war wirklich sehr schön.
Wie werden die Kinder ins Projekt eingebunden?
Save the Children will Kindern eine Stimme geben. Ihre Partizipation ist in unseren Projekten entsprechend hoch. In Jharkhand hatten wir am letzten Tag noch ein Treffen mit sogenannten „Child Champions“, Delegierten aus verschiedenen Gemeinschaften. Sie haben uns von ihren beeindruckenden Aufgaben erzählt. So setzen sie sich aktiv gegen Kinderheirat und Kinderhandel ein! Da die Rate solcher Fälle in der Region leider extrem hoch ist, bilden die „Child Champions“ in brenzligen Situationen Komitees und suchen das Gespräch mit den Eltern! Das ist extrem beeindruckend. Es waren Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren.
Diese Einbindung der Kinder empfinde ich als extrem wichtig und wertvoll! Wenn Kinder auf geeignete Weise involviert werden, können sie ihre Bedürfnisse und Anliegen sehr überzeugend vertreten und für ihre Gemeinschaft Unglaubliches leisten.
Wie hat Sie der Besuch beeinflusst? Was hat Sie besonders beeindruckt?
Zum einen war der Kontrast zwischen dem Slum in Delhi und der Situation in den abgelegenen Gebieten in Jharkhand enorm und für mich entsprechend spannend, zu sehen, wie wir unsere Projekte mit bewährten Ansätzen auf den jeweiligen Kontext ausrichten und erfolgreich durchführen können. Besonders beeindruckt hat mich die tolle Zusammenarbeit zwischen lokalen kleineren Organisationen, Regierungsstellen und unseren lokalen Save the Children Teams. So kann die Verankerung in der Bevölkerung sichergestellt werden und gleichzeitig können wir voneinander lernen. In unseren Länderbüros sind im Normalfall fast 100% der Mitarbeitenden Einheimische, was ich sehr wichtig und richtig finde. Speziell berührt hat mich auch der äusserst respektvolle Umgang meiner lokalen Kolleginnen und Kollegen mit den Begünstigten unserer Arbeit, seien dies nun Kinder oder Erwachsene.
Letztlich hat mich dieser Projekt-Besuch einmal mehr darin bestärkt, dass wir scheinbar hoffnungslose Schicksale zum Besseren verändern können. Jedes gestärkte und beschützte Kind macht einen Unterschied.