Weltweit herrscht aktuell die schlimmste globale Hungerkrise des Jahrhunderts und Afghanistan ist eines der Länder, die besonders stark betroffen sind. Adrian Förster, CEO von Save the Children Schweiz, war kürzlich im Land und hat Projekte vor Ort besucht. Was ihn besonders berührt hat und warum Hunger oft nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, erzählt er im Interview.

©Aashiqullah Mandozai / Save the Children

Adrian, du warst kürzlich in Afghanistan.
Wie war es für dich in Afghanistan unterwegs zu sein?

Als Gast dieses Landes durfte ich nicht allein unterwegs sein – auch nicht auf der Strasse. Obwohl die Lage seit der Machtübernahme der Taliban besser geworden ist, gibt es in Kabul fast jede Woche mehrere Anschläge. Das grosse Thema war also die Sicherheit. Als NGO sind wir zwar nicht direkt Zielscheibe der Gewalt und trotzdem erfordert die Sicherheitslage spezielle Massnahmen. Büros und Hotels sind streng bewacht, überall Sicherheitskontrollen und Panzertüren. Es war eine spezielle Situation, wie ich sie so noch nie erlebt hatte. Für die Leute vor Ort muss das Leben aber weitergehen. Die Strassen sind belebt und Menschen verkaufen an Märkten frische Früchte. Man nimmt die Bedrohung auf den ersten Blick nicht direkt wahr. Die Menschen haben gelernt, unter diesen Umständen zu leben – für uns ist das aber natürlich eine vollkommen aussergewöhnliche Situation.

Man nimmt die Bedrohung auf den ersten Blick nicht direkt wahr. Die Menschen haben gelernt, unter diesen Umständen zu leben.

Adrian Förster CEO, Save the Children Schweiz

Wie hast du die Hungerkrise im Land wahrgenommen?
Hunger sieht man nicht immer direkt – Hunger ist etwas Unsichtbares. Viele würden auch nicht darüber sprechen. Was aber direkt ins Auge sticht, ist der trockene Boden. An vielen Orten wächst auf den Feldern nichts – im Land herrscht seit drei Jahren eine Dürre. Auf dem Markt sieht man zwar Lebensmittel, doch die sind meist wahnsinnig teuer und aus anderen Ländern importiert.

Welche Auswirkungen hat die Situation auf Kinder?
Die Fälle von schwerer akuter Mangelernährung haben im Land stark zugenommen. Viele Familien haben erzählt, dass sie nur noch von Fladenbrot und Wasser leben. Oft nehmen sie nur zwei Mal in der Woche eine warme Mahlzeit zu sich. Es ist eine riesige Herausforderung für diese Familien – die Kinder weinen und haben Hunger.

Im Norden von Afghanistan war ich in einer mobilen Gesundheitsklinik von Save the Children. Allein dort hatten sie dieses Jahr bereits mehr als 500 stark mangelernährte Kinder behandelt.

Man sieht den Kindern die Krankheit im Gesicht nicht unbedingt an. Erst wenn die Ärzte diese Kinder anhand des MUAC-Bandes – einem speziellen Armband, das den Oberarmumfang bei Kindern misst – untersuchen, ist das Band bei vielen im roten Bereich, was bedeutet, dass sie unterernährt sind. Für diese Kinder ist die Situation lebensbedrohlich.

Wie hilft Save the Children diesen Kindern konkret?
In Afghanistan betreiben wir rund 66 mobile Gesundheitskliniken. Wir sind im Land da präsent, wo der Staat selbst keine Gesundheitsversorgung anbietet oder bestehende Kliniken nicht funktionieren. Meist nutzen wir für unsere Gesundheitskliniken leere Gebäude in den abgelegenen Dörfern. Während einem Tag in der Woche wird dieses Gebäude dann zur Gesundheitsklinik, wo ein Team von Ärzten und Pflegepersonal Kinder und ihre Familien behandeln. Dabei bieten wir Beratungen für Mütter und Schwangere an sowie die Behandlung von Mangelernährung. Mit diesen Projekten leisten wir die dringend benötigte Nothilfe, damit Kinderleben gerettet werden können.

In Afghanistan betreiben wir rund 66 mobile Gesundheitskliniken.

Adrian Förster CEO, Save the Children Schweiz

Welche Begegnung mit Menschen vor Ort hat dich besonders berührt?
Am meisten berührt hat mich unser Save the Children Team vor Ort – dieses arbeitet unter schwersten Umständen für das Überleben der Kinder. Die aktuell herrschende Sicherheitslage erschwert ihre Arbeit sehr. Hinzu kommt die fehlende Perspektive für eine bessere Zukunft – die Hungerkrise wird in den nächsten Monaten noch schlimmer werden und die Restriktionen für NGOs immer strenger. Trotzdem arbeiten die Mitarbeitenden mit unglaublichem Engagement, einer riesigen Freude und einer beeindruckenden Ausdauer für das Wohl der Kinder in Not. Das hat mich am meisten beeindruckt und berührt.

Wie kann jeder einzelne von uns helfen?
Die globale Hungerkrise ist überwältigend. Das soll uns aber nicht lähmen. Wir können uns auf die Kinder konzentrieren, für die wir einen entscheidenden Unterschied machen. Denn mit sehr wenig Geld können wir das Überleben von Kindern sichern – deshalb ist jede Spende unglaublich viel Wert. Und wir müssen auch weiterhin über die Hungerkrise sprechen. Denn ob Fussball-WM oder Königshaus: Sobald etwas anderen Schlagzeilen macht, gerät die Situation in Afghanistan sowie die weltweit herrschende Hungerkrise schnell in Vergessenheit. Wir müssen also auch dafür sorgen, dass das Thema in der Politik und in den Medien nicht untergeht und die Stimmen der betroffenen Kinder und Familien gehört werden.

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