Weltweit herrscht aktuell die schlimmste globale Hungerkrise des Jahrhunderts und Afghanistan ist eines der Länder, die besonders stark betroffen sind. Adrian Förster, CEO von Save the Children Schweiz, war kürzlich im Land und hat Projekte vor Ort besucht. Was ihn besonders berührt hat und warum Hunger oft nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, erzählt er im Interview.
©Aashiqullah Mandozai / Save the Children
Wie hast du die Hungerkrise im Land wahrgenommen?
Hunger sieht man nicht immer direkt – Hunger ist etwas Unsichtbares. Viele würden auch nicht darüber sprechen. Was aber direkt ins Auge sticht, ist der trockene Boden. An vielen Orten wächst auf den Feldern nichts – im Land herrscht seit drei Jahren eine Dürre. Auf dem Markt sieht man zwar Lebensmittel, doch die sind meist wahnsinnig teuer und aus anderen Ländern importiert.
Welche Auswirkungen hat die Situation auf Kinder?
Die Fälle von schwerer akuter Mangelernährung haben im Land stark zugenommen. Viele Familien haben erzählt, dass sie nur noch von Fladenbrot und Wasser leben. Oft nehmen sie nur zwei Mal in der Woche eine warme Mahlzeit zu sich. Es ist eine riesige Herausforderung für diese Familien – die Kinder weinen und haben Hunger.
Im Norden von Afghanistan war ich in einer mobilen Gesundheitsklinik von Save the Children. Allein dort hatten sie dieses Jahr bereits mehr als 500 stark mangelernährte Kinder behandelt.
Man sieht den Kindern die Krankheit im Gesicht nicht unbedingt an. Erst wenn die Ärzte diese Kinder anhand des MUAC-Bandes – einem speziellen Armband, das den Oberarmumfang bei Kindern misst – untersuchen, ist das Band bei vielen im roten Bereich, was bedeutet, dass sie unterernährt sind. Für diese Kinder ist die Situation lebensbedrohlich.
Welche Begegnung mit Menschen vor Ort hat dich besonders berührt?
Am meisten berührt hat mich unser Save the Children Team vor Ort – dieses arbeitet unter schwersten Umständen für das Überleben der Kinder. Die aktuell herrschende Sicherheitslage erschwert ihre Arbeit sehr. Hinzu kommt die fehlende Perspektive für eine bessere Zukunft – die Hungerkrise wird in den nächsten Monaten noch schlimmer werden und die Restriktionen für NGOs immer strenger. Trotzdem arbeiten die Mitarbeitenden mit unglaublichem Engagement, einer riesigen Freude und einer beeindruckenden Ausdauer für das Wohl der Kinder in Not. Das hat mich am meisten beeindruckt und berührt.
Wie kann jeder einzelne von uns helfen?
Die globale Hungerkrise ist überwältigend. Das soll uns aber nicht lähmen. Wir können uns auf die Kinder konzentrieren, für die wir einen entscheidenden Unterschied machen. Denn mit sehr wenig Geld können wir das Überleben von Kindern sichern – deshalb ist jede Spende unglaublich viel Wert. Und wir müssen auch weiterhin über die Hungerkrise sprechen. Denn ob Fussball-WM oder Königshaus: Sobald etwas anderen Schlagzeilen macht, gerät die Situation in Afghanistan sowie die weltweit herrschende Hungerkrise schnell in Vergessenheit. Wir müssen also auch dafür sorgen, dass das Thema in der Politik und in den Medien nicht untergeht und die Stimmen der betroffenen Kinder und Familien gehört werden.